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Kaum zu glauben!

Ich glaube – hilf meinem Unglauben!

Fünf Schlaglichter der Tradition auf einen Glauben, der kaum zu glauben ist.

 

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Wer über den Glauben nachdenkt, kommt um die Frage nicht herum, wie schwer oder leicht das Glauben fällt. Derlei treibt die Theologie nicht erst seit jenen Säkularisierungsprozessen um, in denen unsere Gesellschaften stehen, sondern hat eine lange Tradition. Man kann diese Tradition auch heute noch fruchtbar machen, um das eigene Glauben oder die Schwierigkeiten damit in seinen vielen Facetten besser verstehen; aus diesem Grund will ich im Folgenden fünf kleine Schlaglichter auf Einsichten werfen, was es mit einem Glauben auf sich hat, der kaum zu glauben ist – und was man daraus auch heute noch lernen kann.

 

 

1 Einen ersten Gedanken finden wir bei Paulus. Er schreibt, seine Verkündigung sei „für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (1 Kor 1,18). Der Predigt von der gekreuzigten Liebe Gottes begegnet also Unverständnis. Diese Erfahrung kann auch unsere Perspektiven klären: Man sollte sich durch die historisch-kulturelle Mächtigkeit des Christentums in unseren Breiten nicht zum Schluss verleiten lassen, der Glaube an Christus sei selbstverständlich. Offenkundig war er von Beginn an „kaum zu glauben“ – und das ist eine (vielleicht hilfreiche, vielleicht tröstliche) Einsicht auch für uns Heutige.

 

 

 

2 Damit lässt sich ein zweiter Gedanke verbinden, den man von Martin Luther her formulieren kann. Dieser hat am Beginn der Neuzeit besonders deutlich hervorgehoben, dass Glaube primär als Gnade zu verstehen sei – als etwas, das man nicht herstellt, sondern sich gleichsam unverdient zuspielt. So wenig man sich dazu entschließen kann, sich in jemanden zu verlieben (sondern hier etwas mit uns geschieht), so wenig kann man sich einfach dazu entschließen, zu glauben (sondern Glaube geschieht mit uns und an uns). Ob sich einem ein letztes, tiefes Vertrauen auf Gott eröffnet oder nicht – das ist nicht einfach Gegenstand eigener Entscheidungen, sondern hat Geschenkcharakter.

 

Man hat das anhand von Kippbildern erläutert: Wie sich dem eigenen Blick etwa ein sogenannter „Necker-Würfel“ darstellt, ist nicht problemlos entscheidbar – eine bestimmte Perspektive auf ihn stellt sich unversehens ein, kann aber ohne eigenes Zutun auch kippen. Daraus ergibt sich eine Vorsichtsregel: Man sollte über Glauben nicht in Kategorien der Moralität sprechen, als sei Nichtglaube letztlich eigenes Versagen oder Faulheit.

 

3 Dennoch ist die Geschichte damit nicht auserzählt, wie ein dritter Gedanke nahelegt. Wir können ihn mit Thomas von Aquin verbinden, der in seiner Analyse des Glaubens eine Dimension identifiziert, die mit unserer Freiheit zu tun hat: Glauben braucht ein freies Ja, es geschieht nicht ohne uns. Man hat hier eine gewisse Spannung zur Einsicht Luthers, aber diese lässt sich bearbeiten, wenn man nochmals die Analogie der Liebe aufgreift: Verliebtheit mag uns unverdient geschenkt werden, aber ihre Transformation in Liebe geschieht nicht ohne uns – um die erste Begeisterung füreinander in eine alltagstaugliche Beziehung zu verwandeln, braucht es viele kleine Schritte eigenen Bemühens.

 

Man kann das auch am Kippbild-Beispiel nachvollziehen: Es ist nicht unmöglich, den eigenen Blick so zu schulen, dass sich eine gewisse Tendenz entwickelt, eine bestimmte Perspektive zuzulassen. Übertragen heißt das: Man kann sich etwa eine Großzügigkeit aneignen, die im Anderen das Ebenbild Gottes zu sehen erlaubt (und nicht bloß die Kosten und Probleme, die er verursacht) oder in der Anderen Gottes geliebtes Kind (und nicht bloß das Scheitern, das ihr Leben durchzieht). Das ist eine mögliche weitere Einsicht: Eine Haltung des Vertrauens lässt sich nicht erzwingen, aber kultivieren.

 

Daran kann man einen vierten Gedanken anschließen, der sich mit dem kanadischen Philosophen Charles Taylor verknüpfen lässt. In seiner Studie Ein säkulares Zeitalter hat dieser nachgezeichnet, wie es im 15. Jahrhundert so selbstverständlich sein konnte Christ zu sein und wie es dazu kam, dass es in der Gegenwart nur mehr eine Option unter vielen ist. Man könnte eine seiner Einsichten so formulieren: So sehr Gottvertrauen ein Geschenk ist – die Kultivierung dieses Vertrauens, von der im letzten Punkt die Rede war, ereignet sich nicht weltlos in der Innerlichkeit des Individuums, sondern hat historische und soziale Ermöglichungs- und Verunmöglichungsbedingungen. Während wir in bestimmten Kontexten ermutigt werden können, aus einem letzten Vertrauen heraus zu leben, können wir in anderen entmutigt werden – Glauben kann ebenso ansteckend sein wie Zynismus (vgl. Mt 16,8).

 

Kirche lässt sich normativ als Raum gelebten Gottvertrauens verstehen: Sie tradiert mit dem Evangelium auch Formen, im Vertrauen auf Gottes unbedingtes Ja in Jesus zu leben. Gerade deshalb ist umgekehrt die Unglaubwürdigkeit der Kirche fein, aber wirklich mit dem NichtGlaubenkönnen unserer Gegenwarten assoziiert: Wo Kirche mit Missbrauch, Vertuschung und Klerikalismus verquickt ist, bringt sie Leid über die Menschen und erschwert Gottvertrauen. In diesem Sinn kann man die Gottes- und Glaubenskrise nicht einfach von verschiedenen Kirchenkrisen entkoppeln.

 

5 Gleichwohl ist es sinnvoll, gerade hier einen fünften Gedanken einzuspielen, der mit Karl Rahner verbunden ist. Rahner hat darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht nur eine Form expliziten, sondern auch anonymen Glaubens gibt. Wir sind vielfach so sehr auf das explizite Glaubensbekenntnis und die zählbare Kirchenzugehörigkeit fokussiert, dass wir übersehen, dass bereits Jesus hier zurückhaltend ist: Manche, die explizit „Herr! Herr!“ rufen, haben wenig davon verstanden (Mt 7,21), und andere, die gut vernehmbar zustimmen, handeln nicht danach (Mt 21,28–32). Jesus selbst findet Glauben auch dort, wo er meist nicht gesehen wird, und wirkt selbst erstaunt darüber (Lk 7,9); wieder andere glauben und nehmen zugleich in sich selbst Unglauben wahr (Mk 9,24).

 

Gerade letzteres ist nüchterner Trost: Die Linien zwischen Glauben und Nichtglauben, zwischen Glaubenkönnen und Nicht-Glaubenkönnen sind feiner und subtiler, als die Logik des Entweder-Oder suggeriert; und sie verlaufen nicht zwischen uns und anderen – sondern in uns. Der Ruf des Vaters zu Jesus mit dem kranken Kind ist daher auch für uns bleibend aktuell: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!

 

Dr. Martin Dürnberger ist Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Universität Salzburg. Außerdem ist er Obmann der renommierten „Salzburger Hochschulwochen“.

 

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