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Lob der Freundschaft

Freunde fürs Leben

Was muss Freundschaften auszeichnen, damit sie selbst große räumliche und zeitliche Distanzen überwinden? Persönliche Notizen und Beobachtungen.

 

Es ist ein milder Herbstabend im September. Zwanzig Jahre nach dem Abitur treffen sich rund 50 ehemalige Klassenkameraden in einem niederrheinischen Gasthaus, um miteinander zu lachen, zu feiern, Erinnerungen aufzufrischen. Ich bin einer von ihnen. Mit Leichtigkeit werden die vergangenen zwei Jahrzehnte überbrückt, ja, ist man überhaupt gealtert? Ohne Reibungsverluste knüpft man an "damals" an, ist plötzlich wieder Schüler, Jugendlicher, pubertärer Wirrkopf – neugierig, energiegeladen, albern.

 

Darunter befindet sich auch eine handvoll enger Freunde, die mir über all die Jahre, die ich inzwischen in Österreich lebe, geblieben sind; Freunde, mit denen man die Schulbank gedrückt, die Ferien durchfeiert später die Studienzeit durchlebt hat. Freunde, die nicht klagen, wenn man mal wochenlang unter dem Eindruck des Alltagsstresses die Kontaktnahme vergisst. Freundschaften, an die man ohne Startschwierigkeiten anknüpfen kann, auch wenn man sich lange nicht gesehen hat. Freundschaften, von denen ich ohne falsche Sentimentalität aufrichtig gestehen kann, dass sie fürs Leben sind.

 

Gewissheit in unsteter Zeit

 

Wie kann das sein? Was macht diese Freundschaften aus? Was gibt diesem Band seine Kraft? Es ist wohl ein Mix aus Verschiedenem – allem voran die zahllosen gemeinsamen Erinnerungen. In ihnen steht die Zeit still, bewahrte, geborgene Jugend. Sie wärmen Herz und Seele, sind Rückzugsorte des Beständigen und schenken Identität und Gewissheit. Wer miteinander durchgefeiert, durchdiskutiert und gemeinsam verflossenen Lieben hinterhergetrauert hat, den können weder Kilometer noch Zeitspannen auseinandertreiben. Und es ist wohl auch das aufrichtige Interesse am Anderen; das Interesse nicht an Erreichtem, an Erfolg oder Misserfolg, an Bilanzen, sondern das Interesse am Lebensglück.

 

Meine Freunde hat es inzwischen weit zerstreut. Einige sind im Rheinland geblieben, andere sind in der ganzen Welt herumgekommen. Und doch machen wir immer wieder am gemeinsamen heimatlichen Hafen die Boote fest – für ein paar Tage Ferien, für einen gemeinsamen Abend. Inzwischen sind diese Boote zu ausgewachsenen Fähren geworden; personell reich bestückt mit Partnern und Kindern. Tatsächlich scheint mir dies ein weiterer Faktor dauerhafter Freundschaft zu sein: Das Wissen um Heimat, um Scholle. Als Erinnerungs-, vielleicht ein stückweit auch als Sehnsuchtsort.

 

Wurzeln lebendig halten

 

Wer sich solcher biografischer Wurzeln entschlägt, beraubt sich auch seiner Zukunft. Denn stets bleibt eine solcherart geerdete Freundschaft auch ein Versprechen – nämlich jenes, dass es etwas gibt, das überdauert. Brieffreundschaften waren einmal Inbegriff dieses Versprechens. Auf Papier gekritzelte Bekenntnisse, dass es ein Band gibt, das – der Liebe nicht unähnlich – stärker ist als diese aus den Fugen geratene, vergessliche Zeit. Ein Seitenhieb auf die auf Kommunikationshäppchen reduzierten medialen "Facebook-Freundschaften" liegt nah – allein, ich verbiete ihn mir. Denn tatsächlich können auch dies Wege sein, um dem kurzen Aufflackern der Erinnerung, dem Vermissen Ausdruck zu geben und Erfahrungen zu teilen.

 

Zurück in die Gaststätte. Es ist 4 Uhr früh. Die Tanzfläche leert sich. Die letzten "Hits der 80er und 90er" verklingen. An der Theke hockt der inzwischen leicht mitgenommene Rest der Partygesellschaft. Im Kern mein eigener, enger Freundeskreis. "Wir können es noch", höre ich jemanden zufrieden sagen. "Es" bedeutet: Feiern. Das Leben. Unsere Freundschaft. Und so gehen wir auseinander – ein unspektakulärer Händedruck, ein verständiges Nicken, als würde man sich am nächsten Tag in der Schule wiedersehen. So soll's sein, denke ich mir: selbstverständlich, unprätentiös – und doch verbindlich fürs Leben.

 

Henning Klingen

Chefredakteur

 

Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2016 | Ausgabe September

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