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Gott|Vertrauen

Damit Vertrauen entsteht

 

Das Psychotherapeuten-Paar Sabine und Roland Bösel musste selbst lernen, aus einem gegenseitigen Kontrollwahn herauszukommen und einander Vertrauen zu schenken – Ein miteinander-Gespräch über die Bedeutung von Vertrauen in einer Beziehung.

 

"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser", soll Lenin einmal gesagt haben. Aber das ist wohl nicht das richtige Rezept für eine gute Beziehung, oder?

 

Roland Bösel: Vor vielen Jahren dachte ich auch, dass mir Kontrolle die nötige Sicherheit in der Beziehung verschafft. Doch wer glaubt, Kontrolle ist wichtiger als Vertrauen, den haben in seiner eigenen Geschichte oder wie wir es nennen, im "Rucksack", bewusste oder unbewusste Erfahrungen dazu geführt. Für mich als Kind war es sehr schmerzvoll, wenn meine Mutter arbeiten gehen musste und ich alleine zurückblieb. Damals beschloss ich: "Wenn ich einmal groß bin, werde ich darauf schauen, dass mich niemand mehr verlässt." Dieser Beschluss wurde irgendwann zur Kontrolle und ich habe in Sabine genau die Richtige dafür gefunden: Ihre Mutter wollte sie permanent kontrollieren, weil Sabines Schwester tödlich verunglückt ist. Ihre Mutter hatte also allen Grund, auf ihre zweite Tochter besonders aufzupassen. Diese Mischung endete in einem Desaster, wo wir uns zu Beginn unserer Beziehung immer wieder getrennt haben, wieder zusammengekommen sind. Daher ging es bei uns darum, eine Beziehung zu entwickeln, in der die Kontrolle dem Vertrauen weicht.

 

Welche Bedeutung hat Vertrauen für eine gelingende Ehe? Wie zeigt sich Vertrauen in einer Partnerschaft?

 

Sabine Bösel: Eine gelingende Ehe hat ganz viel mit Sich-Fallenlassen zu tun, in der Intimität wie auch in den alltäglichen Situationen des Lebens. Die Sprache der Liebe hat zusammengefasst fünf Teile, nämlich dass Paare exklusive Zeit haben, einander Wertschätzung und Anerkennung geben, sich gegenseitig immer wieder positive Überraschungen bereiten, regelmäßige körperliche Zuwendung und Hilfsbereitschaft. Es hat auch mit Vertrauen zu tun, wenn mein Partner für mich da ist. Vertrauen bedeutet für mich aber auch, wenn ich mich am Abend mit meinen Freundinnen treffe, dass Roland zu mir sagt: "Mach dir einen schönen Abend und hab viel Spaß!" Früher brachte er das nicht über die Lippen. Die Angst, ich könnte ihm verlorengehen, war zu groß. Das hat viele "Paardialoge" gebraucht, wie wir das in der Imago-Paartherapie nennen. Die haben uns dazu verholfen, einander besser kennenzulernen und vor allem zu sehen, dass bei manchen unserer Handlungen der "Rucksack" eine große Rolle spielt.

 

Wer vertraut, geht damit auch die Gefahr ein, enttäuscht zu werden, Vertrauen kann gebrochen werden. Was empfehlen Sie aus paartherapeutischer Sicht, um Vertrauen wieder aufzubauen?

 

Roland Bösel: Die meisten Paare wissen nicht, dass 90 Prozent der Themen eine Wiederholung unserer je eigenen Geschichte sind und sagen: "Wenn er mich so behandelt, dann kann er mich nicht lieben." Daher empfehlen wir Paaren das Gespräch zu suchen, um wirklich zu verstehen was hinter den Ängsten des Partners steht. Damit ist gemeint, auch die Not meines Partners zu entdecken, warum er manchmal so ist, wie er ist und nicht gleich jedes Verhalten gegen mich zu interpretieren. Heute weiß man, dass eine zeitweise Begleitung der eigenen Paarbeziehung ein wichtiger Teil einer gemeinsamen Reise sein kann. Natürlich gibt es auch in den Beziehungen kleine und große Themen, wo ich mein Vertrauen verliere, wie zum Beispiel eine Affäre. Dann muss Vertrauen langsam wieder wachsen, denn auch Vergebung braucht ihre Zeit. Das ist oft nicht das Ende eines Weges, sondern der Anfang eines Heilungsprozesses. Durch Krisen, die man gemeinsam meistert, wird die Beziehung oft noch stärker. Diese Zeiten haben uns rückblickend erst auf den Weg gebracht, wirkliches Vertrauen und Liebe zu entwickeln.

 

Muss man Vertrauen eigentlich lernen oder ist es angeboren? Wie entsteht Vertrauen von Kindern zu ihren Eltern?

 

Sabine Bösel: Vertrauen ist geprägt durch meine ersten Lebenserfahrungen, die bewussten und auch die unbewussten. In den ersten Lebensjahren haben wir ja kein explizites, sondern ausschließlich ein implizites Gedächtnis. Wenn ich zum Beispiel nach der Geburt für einige Wochen in den Brutkasten musste, mein Zwillingsbruder jedoch nicht, dann ist implizit im Körpergedächtnis etwas gespeichert, das für beide Kinder eine unterschiedliche Startposition erzeugt, obgleich sie die gleichen Eltern haben. Was Kinder brauchen, ist, immer wieder zu sehen, dass die Eltern bereit sind, zu lernen. Wenn wir uns anschauen, welche Eltern wir heute sind und welche Eltern wir waren, als wir unseren ersten Sohn bekommen haben, sehen wir schon einen großen Unterschied. Bei unseren sogenannten Generationenworkshops, bei denen Mutter oder Vater mit einer erwachsenen Tochter oder einem Sohn teilnimmt, können wir jedes Mal aufs Neue miterleben, wie wirkliches Vertrauen zwischen Eltern und Kindern entwickelt werden kann und daher manches in die nächste Generation nicht mehr weitergegeben wird, sondern neues Vertrauen in der nächsten Generation entsteht.

 

Das Interview führte Daniel Seper

 

Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2016 | Ausgabe Mai/Juni

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