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Editorials aus dem "miteinander"

Einheit in Vielfalt

Von Chefredakteur Henning Klingen

Seit heuer steht in meinem Garten ein ziemlich großer, aus grobem Bauholz selbst zusammengezimmerter Kasten – ein Hochbeet. In ihm wachsen Erdbeeren, Tomaten, verschiedenste Salate, Radieschen, Gurken und Paprika dicht und kunterbunt durcheinander. Dem Auge bietet sich eine üppige Vielfalt, für den Magen jedoch bleibt von einigen Gemüsesorten nicht viel übrig. Das Problem – das lehrt mich ein Blick in die Gartennotizen meines Großvaters – liegt in der Beliebigkeit, nicht in der Vielfalt. Tomaten neben Kartoffeln gedeihen einfach nicht.

Nicht immer lässt sich die Frage der Vielfalt so einfach lösen wie in einem Hochbeet. Kulturelle Vielfalt etwa, wie sie sich in Großstädten mit Menschen aus aller Welt in ihrer schönsten Form darstellt, ist eine Kulturleistung. Es braucht Mut, Respekt und Vertrauen, um das Andere, den Anderen auszuhalten. Wieviel leichter ist es dagegen, alles Fremde verächtlich zu betrachten und damit herabzuwürdigen. Der kürzlich verstorbene Soziologe Ulrich Beck hat das Dilemma der Vielfalt im Begriff der "Risikogesellschaft" auf den Punkt gebracht: Die Individualisierung ist nicht nur ein Freiheitsgewinn, sie übt auch einen konstanten Druck zur Entscheidung aus. Ich muss aus der Vielzahl von Optionen auswählen und entscheiden, wie ich leben will, welchen Beruf ich ergreifen möchte, welche Partnerschaft ich führen möchte. Da kann Vielfalt rasch auch zur Last werden.

Das betrifft auch die Religion. Wo sie sich aus dem Herrgottswinkel der Beschaulichkeit hinauswagt, muss sie sich der Konkurrenz mit anderen Weltanschauungsformen stellen. Mehr noch: Sie steht unter dem Druck, den eigenen Wahrheitsanspruch zu formulieren, ohne jenen der anderen zugleich abzuwerten. Gerne wird heute in moralischen wie religiösen Fragen ein "Relativismus" diagnostiziert – allzu oft allerdings mit dem schalen Beigeschmack einer eben solchen Herabwürdigung des Gegenübers. Dabei muss Vielfalt nicht der Feind der Wahrheit sein – im Gegenteil! Vielfalt kann herausfordern zum Wettkampf der Werte. Denn sie erweist sich allein im Tun des Gerechten, wie Lessing in seiner berühmten "Ringparabel" aufgezeigt hat. Insofern ist der biblische Glaube kein monolithischer Glaube, sondern ein Türöffner für die Vielfalt des Menschseins.

Der größte Feind einer ertragreichen Ernte in meinem Hochbeet war heuer jedoch nicht die Beliebigkeit der Pflanzung, sondern die Schnecken. Aber das ist eine andere Geschichte...

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