• Ausgabe 1-2 / 2015

    GLAUBE MACHT SCHULE

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Unsere Themen im Jahr 2015

Wider die Nützlichkeit!

Leitartikel von Henning Klingen

 

Mit meinem Religionsunterricht verbinde ich keine guten Erinnerungen. Ich habe ihn schon früh abgewählt und stattdessen das in meiner Heimat Nordrhein-Westfalen angebotene Wahlfach Philosophie belegt. Nicht aus "Kirchenfrust", sondern weil der Religionsunterricht keinen Raum für Diskussionen über die großen Fragen bot, die einen auch schon als junger Mensch bewegen.

 

Dieses "Bekenntnis" mag seltsam anmuten zur Eröffnung einer Ausgabe, die sich dem Religionsunterricht widmet. Doch habe ich meine Entscheidung nie bereut – denn die Philosophie hat mich letztlich zur Theologie und zum Studium der Religionspädagogik geführt. In den vergangenen 20 Jahren seither hat sich der Religionsunterricht stark verändert. Er ist religionskundlicher geworden, blickt über den Tellerrand der eigenen Konfession, aber genauso ist er "katechetischer" geworden: Er muss den Glauben von Grund auf erklären, wo dies in Familien längst nicht mehr selbstverständlich ist. Dieser Drahtseilakt gelingt scheint's gut – schließlich besuchen immer noch rund 600.000 Schülerinnen und Schüler den katholischen Religionsunterricht.

 

Dennoch ist nicht alles eitel Wonne, denn immer häufiger wird das Fach insgesamt infrage gestellt. Religion sei schließlich Privatsache und habe an staatlichen Schulen daher nichts zu suchen. Und so fechten die Verteidiger des Religionsunterrichts mit der Klinge des gesellschaftlichen Mehrwerts: Religionsunterricht bringe der Gesellschaft etwas; er bewahre religiöse Sprachfähigkeit und sichere als eine Art Moral-Agentur das Fundament unseres Zusammenlebens. Aber genügt das? Gleicht der Verweis gerade auf die Nützlichkeit von Religion nicht einem Rückzugsgefecht? Besteht nicht die Gefahr, dass einmal ein anderes Fach für sich beansprucht, diese Leistungen genauso gut zu erbringen? Etwa der Ethikunterricht? Oder ein guter Philosophieunterricht, wie ich ihn persönlich erfahren habe?

 

Warum nicht den umgekehrten Weg wählen und freimütig einräumen: Religion bringt nichts, sie – und mit ihr der Religionsunterricht – entzieht sich jeder Kosten-Nutzen-Rechnung. Religionsunterricht kann nicht kitten, was gesellschaftlich und familiär verabsäumt wurde. Sein Erfolg bemisst sich weder in einer speziellen Berufsqualifikation noch in einem "Millionenshow"-tauglichen Expertenwissen. Und gerade deswegen ist er unabdingbar: als Ort der Erfahrung, dass es auch Dinge gibt, die sich dem Diktat der Nützlichkeit entziehen, die Raum geben für einen Geschmack des anderen, für eine Vorstellung einer größeren Gerechtigkeit, eines anderen Lebens – kurz: von Gott.

 

Dr. Henning Klingen

Chefredakteur

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