Mag. Lukas Cioni
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Als Kardinal Jorge Mario Bergoglio in seiner berühmt gewordenen Konklave-Rede vom 13. März 2013 den "theologischen Narzissmus" anprangerte, hat er nicht nur ein Problem der Kirche, sondern einen allgemeinen Trend unserer Zeit angesprochen. Auch nach seiner Wahl zum Papst beschäftigte sich Franziskus wiederholt mit der "Selbstbezogenheit der Kirche", in der er den Hauptgrund für das Übel in den Institutionen sieht. Wenn ein Mensch, eine Gruppe oder eine Religionsgemeinschaft nur mit sich selbst beschäftigt sei, sich auf die eigene Lehre beschränke, nicht auf andere zugehe oder diese gar verachte, führe dies zu Abgehobenheit, Kälte und letztlich zur Isolation.
Tatsächlich ist eine solche Entwicklung heute nicht nur in der Kirche, sondern in der gesamten Gesellschaft erkennbar. Was Jahrhunderte lang als Sünde und Makel gegolten hat und später als psychische Krankheit – nämlich die narzisstische Persönlichkeitsstörung – betrachtet wurde, ist heute für viele Menschen ein anzustrebendes Ideal: Sich rücksichtslos durchzusetzen, ausschließlich seine eigenen Ansprüche zu verfolgen und sich selbst zu verwirklichen, ist gerade für jüngere Menschen zum Lebensziel Nummer 1 geworden.
Reinhard Haller