• Ausgabe 7-8 / 2015

    VOM WERT DER VIELFALT

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Unsere Themen im Jahr 2015

„Keuschheit, die frei macht“

Wer Keuschheit auf den sexuellen Bereich begrenzt, verkennt den eigentlichen Wert : nämlich die Bändigung destruktiver Kräfte.

 

„Mach, dass ich die Dinge sehe, wie sie sind. Nichts soll mich blenden“ – dieses Gebet der heiligen Theresia von Lisieux, der Patronin meiner Ordensgemeinschaft, fällt mir ein, wenn ich über den evangelischen Rat der Keuschheit nachdenke. Dieses Wort, das früher so wichtig war, wird heute kaum mehr verwendet und wenn, dann eher abwertend. Meist wird es auch nur auf den sexuellen Bereich bezogen. Dabei meint „Keuschheit“ ursprünglich etwas viel Umfassenderes, nämlich die Ordnung der gesamten Triebstruktur des Menschen, also etwa auch das Achthaben auf seine Aggressionen oder das übersteigerte Bemühen, anderen zu gefallen. Manche(r) nimmt es dafür in Kauf, anderen zu schmeicheln oder sich auf deren Kosten wichtig zu machen und Halbwahrheiten oder sogar Lügen zu verbreiten. „Keusch“ sein könnte bedeuten, diesen destruktiven Antriebskräften Grenzen zu setzen.

 

Hellsichtig für die Wirklichkeit

„Keusch“ sein hat aber auch mit Transparenz zu tun: Aus dem Sonnengesang des Franziskus ist vielen die Redewendung vom „keuschen Wasser“ vertraut. Gemeint ist ein Wasser, bei dem man bis auf den Grund schauen kann, das lebendig und klar sprudelt. So lebendig und klar soll auch das Leben derer sein, die dem evangelischen Rat der Keuschheit folgen wollen. Ich lasse mir von anderen in die Karten schauen, bin ehrlich, bin „lauter“. Josef Pieper, ein katholischer Philosoph des 20. Jahrhunderts, meint, dass diese eigene Klarheit auch hellsichtig für die Wirklichkeit macht. Man wird dann nicht geblendet von den eigenen Trieben und Nebenabsichten, sondern andere Menschen und Dinge können erscheinen, wie sie sind.

 

Auf den zwischenmenschlichen Umgang angewendet bedeutet Keuschheit, die Schamgrenze der anderen Person zu respektieren, sie nicht für die eigenen Wünsche zu missbrauchen und ihr Raum zu geben, sie selbst zu sein. Diese Art „keuschen“ Umgangs gebührt Erwachsenen genauso wie Kindern und Jugendlichen, sie gilt jungen und alten Menschen, gesunden und kranken, unversehrten wie behinderten Menschen, Freunden und Hilfesuchenden. Und damit betrifft sie natürlich auch den sexuellen Bereich.

 

Von Ängsten befreien lassen

Menschen, die sich zur Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen verpflichten, sollen die Keuschheit auch als tatsächliche sexuelle Enthaltsamkeit leben, egal, ob sie auf das andere oder das eigene Geschlecht ausgerichtet sind. Aber nicht nur die Ehelosen brauchen zu einem Leben in Keuschheit eine gesunde Psychohygiene. Da stellen sich die Fragen, was ich wirklich lesen und anschauen will, wie ich mich kleide, in welche intimen Situationen ich mich hineinbegebe oder nicht, mit welchen Bildern ich mich umgebe.

 

So manche Ängste mögen Menschen dazu führen, Dinge „hintenherum“ zu tun, sich möglichst „bedeckt“ zu halten oder „übergriffig“ zu sein. Der evangelische Rat der Keuschheit lädt dazu ein, sich von diesen Ängsten befreien zu lassen und ein Leben ohne Nebenabsichten und Hintergedanken zu führen.

 

Sr. Anneliese Herzig MSsR

 

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