Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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Herr Prälat Schrittwieser, Herr Bischofsvikar Hintermaier, welche Erinnerungen knüpfen Sie beide an Horn?
Hintermaier: Horn war für mich ein Bildungs-und ein Gemeinschaftserlebnis. Das Bildungserlebnis hängt mit meiner Herkunft zusammen: Ich bin gelernter Tischler, meine Eltern hatten eine Tischlerei. Als ich den Ruf in mir spürte, Priester zu werden, musste ich zunächst die Matura nachmachen. Dazu ging ich 1981 nach Horn ins dortige Aufbaugymnasium. Wir waren 120 Schüler, es war eine lebendige Gemeinschaft, die neben gemeinsamem Lernen auch viel Sport und das gemeinsame Gebet kannte. Das machte Horn für mich sehr reizvoll und erfüllend. Und bis heute sehe ich Gegenstände im Haus, die ich selbst während dieser Zeit getischlert habe.
Also ein Abschied mit Wehmut …?
Hintermaier: Nein, alles hat seine Zeit. Ich betrachte das Leben eher wie eine Leiter, auf der jede Sprosse ihren Sinn hat, bei der der Weg aber immer weiter geht. So bin ich dankbar, aber ohne Wehmut.
Schrittwieser: Ich bin selbst kein „Horn-Gewächs“, aber seit meiner Zeit als Regens des St. Pöltner Priesterseminars mit Horn verbunden, denn ich konnte mich immer darauf verlassen, dass aus Horn Priesteramtskandidaten und gute Berufungen hervorgingen. 2003 bin ich dann auch im Auftrag des Canisiuswerkes und der Bischofskonferenz aktiv als Rektor in Horn eingestiegen – und in den folgenden sieben Jahren ist mir das Canisiusheim mit der Gemeinschaft der Priesterstudierenden im Propädeutikum zu einer
Heimat geworden. Leider haben alle Bemühungen nicht gefruchtet, das Haus kostendeckend weiterzuführen und auszulasten – so sahen wir uns zur Schließung zum 31. August genötigt.
Auch bei Ihnen keine Wehmut?
Schrittwieser: Wehmut ist das falsche Wort. Ich blicke mit großer Dankbarkeit auf dieses Haus und vor allem auf die Berufungen zurück, die hier gewachsen sind. Das Canisiusheim lebt insofern durch die Menschen dort weiter – und genau dafür haben ja auch all unsere Unterstützer und Spender sich eingesetzt. Im vergangenen halben Jahrhundert sind zahlreiche gute Berufungen aus Horn hervorgegangen – es ist ein Netzwerk aus Priestern und Persönlichkeiten entstanden, die bis heute Kirche und Gesellschaft in Österreich prägen. Genau dies ist auch weiterhin unsere Mission und Vision: Menschen auszubilden, die ihrer Berufung folgen und sie zur Entfaltung bringen. Das ging sehr gut in Horn
in Horn – und es wird genauso auch in Linz gehen.
Das Propädeutikum wurde im Jahr 2000 eingeführt, ist also eine vergleichsweise junge Einrichtung. Ist sie dennoch weiterhin zeitgemäß?
Schrittwieser: Schon das 2. Vatikanische Konzil hat eine solche Einführungsphase für Priesteramtskandidaten gefordert. Bei uns hat es dann fast vierzig Jahre gedauert, bis sie auf Drängen Roms eingeführt wurde – im Übrigen auch ein stückweit gegen die Skepsis der Bischöfe. Horn war dafür immer gut geeignet – nicht zuletzt durch die ruhige Lage im Waldviertel, abseits der Hektik und des Lärms, den die Studierenden aus Wien kennen. Das Jahr war von Anfang an nämlich weniger als klassisches Bildungsjahr gedacht
als vielmehr als spirituelles Jahr, das der Auseinandersetzung mit der eigenen Berufung dienen sollte. Es ging – und geht! – um die religiöse und persönliche Reifung der Kandidaten. Und das ist immer noch zeitgemäß, ich würde sogar sagen wichtiger denn je.
Ab September beginnt nun ein neuer Jahrgang sein Propädeutikum in der neuen Destination – in Linz. Hat es neben der örtlichen Veränderung auch inhaltliche Veränderungen gegeben?
Hintermaier: Das Programm wird von uns laufend weiterentwickelt, insofern stehen keine großen inhaltlichen Veränderungen in Linz an. Es wird sich zeigen, ob sich Kooperationsmöglichkeiten mit der Katholischen Privatuniverstät Linz ergeben, aber das ist Zukunftsmusik. Zunächst geht es uns darum, dass die Studierenden gut in Linz, in den neuen Räumlichkeiten ankommen und sich wohl fühlen.
Schrittwieser: Das Propädeutikum hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt, das hat auch eine Evaluierung ergeben. Verändert haben sich eher die Kandidaten, auf die wir uns entsprechend auch anders einstellen müssen: Viele kommen nicht mehr aus klassisch-katholischem Elternhaus und kirchlicher Sozialisation, sondern das Propädeutikum ist für sie die erste Phase, in der sie sich ernsthaft und tief mit sich und ihrem Glauben auseinandersetzen. Auch kommen immer mehr Menschen aus der Lebensmitte, die bereits ein säkulares Berufsleben hinter sich haben. Das stellt natürlich auch an uns als Begleiter andere, neue Herausforderungen.
Hintermaier: Andere Kandidaten wiederum kommen aus spirituellen Gemeinschaften mit ganz speziellen Bekehrungserlebnissen. Diese Kandidaten sind oft verunsichert, suchen Halt, Geborgenheit in der Gruppe und klare Antworten. Priester werden heute oft als Fremdkörper und Exoten in der Gesellschaft empfunden. Problematisch wird es, wenn diese Kandidaten dann innerlich verhärten, sich abkapseln gegen die Welt und letztlich auch gegen die Vielfalt, die das Katholische in der Kirche ausmacht.
Schrittwieser: Es war mir aus diesem Grund immer ein Anliegen, die Seminaristen aus die ser Defensiv-Haltung herauszuführen, damit sie nicht mitten in den kirchlichen Lagerkämpfen stehen, sondern darüber.
Inwiefern wirkt sich der aktuelle Priestermangel auf die Anforderungen für Priester und Priesteramtskandidaten aus?
Schrittwieser: Die Ausbildung setzt heute stärker als früher darauf, Leitungsqualitäten zu fördern. Wo die klassische Einzelpfarre langsam verschwindet, braucht es andere, zusätzliche Kompetenzen in der Leitung der größeren pfarrlichen Einheiten. Dem sind nicht alle Kandidaten gewachsen. So wird es immer wichtiger, die Kandidaten und Priester ihren Talenten entsprechend einzusetzen.
Hintermaier: Zugleich müssen wir aufpassen, nicht selbst unseren Blick in diese Richtung zu verengen: Eine Berufung ist nicht nur dann gut und stark, wenn der Kandidat Leitungsqualitäten hat. Ein guter Priester muss nicht zugleich ein guter Manager sein. Der Priestermangel nötigt uns in gewisser Weise zu einem solchen Blick, aber wir tun gut daran, uns immer wieder auch ein wenig davon freizumachen. Leistung darf nicht zum dominierenden Kriterium für Berufung werden.
Sehen Sie positiv in die – kirchliche – Zukunft?
Schrittwieser: Ich sehe den derzeitigen Umbrüchen in der Kirche mit positiver Spannung entgegen: In vielen Gemeinden sehe ich enorme Aufbrüche, viele Gläubige bringen sich engagiert ein …
Hintermaier: … und ebenso viele Priester gestalten diesen Umbruch aktiv mit. Es gibt wohl keinen Beruf, der so nah am Leben der Menschen ist wie jener des Priesters. Wir sind immer dabei – von der Wiege bis zur Bahre. Wir teilen das Leben der Menschen, sind eingebunden. Diese Bandbreite gibt es sonst nirgends. Und genau das möchte ich den Kandidaten im Studium und im Propädeutikum vermitteln.
Das Interview führte Henning Klingen