• Ausgabe 10-11 / 2015

    AUFRUF ZUR BARMHERZIGKEIT

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Unsere Themen im Jahr 2015

Gehorsam: Befreit zum Hören

Die Tugend des Gehorsams erspart einem nicht den Gebrauch des Verstandes. Gehorsam mutet mir zu, mein persönliches Wohl mit dem Gemeinwohl in Balance zu bringen.

 

Für viele Menschen ist Gehorsam wirklich „das Letzte“! Spätestens die Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, wo Menschen sich im Namen des Gehorsams schuldig gemacht haben, haben der früher so zentralen Tugend den Garaus gemacht. Gott sei Dank, jetzt wissen wir besser um die Gefahr, wenn der Verstand ausgeschaltet und der eigene Wille abgegeben wird. Leider sind damit auch die hellen Seiten des Gehorsams vergessen worden, denn der beschränkt sich keinesfalls auf das Erfüllen von Anweisungen anderer.

 

Im Wort selbst steckt das Verb „horchen“ – das ist der entscheidende Hinweis. Wer aus dem Geist des Gehorsams sein Leben gestaltet, wird ein Hörender: nach innen – auf sich selbst, den Verstand, das Empfinden, die eigene Lebensgeschichte – und nach außen – auf andere Menschen, auf die Umwelt, auf die konkrete Situation, auf Gott und sein Wort.

 

Aus dem Hören heraus handeln

Aufmerksames Hinhören ist aber nicht etwas, das einfach gegeben ist. Man muss sich dazu entscheiden und es jeden Tag einüben: offen sein für die Gedanken anderer, bereit zur Veränderung; das Stöhnen der geschundenen Schöpfung und den Schrei der Armen hören, wozu Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato si eindringlich auffordert. Auch von Jesus heißt es, dass er den Gehorsam „lernen“ musste (vgl. Hebr 5, 8). Kein Wunder, dass das auch bei uns so ist! In der Nachfolge des „hörbereiten“ Jesus können wir Menschen werden, die aus dem Hören heraus handeln und ihr Leben gestalten.

 

Auch der Ordensgehorsam lebt von diesen Grundlagen. Gleichzeitig macht er deutlich, dass es um ein Ziel geht, das eine Gemeinschaft gemeinsam erreichen will. Mary Linscott hat ihn deshalb das „Gelöbnis der Zusammenarbeit“ genannt. Solche „hörende“ Zusammenarbeit braucht es auch in Pfarren, Seelsorgeräumen und Diözesen. Sie bedingt, dass alle ihre Gaben und Fähigkeiten bereitwillig zur Verfügung stellen, damit sich die Sendung verwirklicht. Das Versprechen, auf die Oberen zu hören, erfordert eine gute Portion Vertrauen und will helfen, in der Spur Jesu zu bleiben. Übrigens: Die Oberen sind keineswegs vom Gehorsam dispensiert! Sie müssen auf die gemeinsame Regel, auf ihre Ratsgremien, auf Ergebnisse gemeinsamer geistlicher Entscheidungsfindung und nicht zuletzt auf die Mitschwestern bzw. Mitbrüder hören.

 

Blick aufs Gemeinwohl

Gewiss, Gehorsam kann ziemlich anstrengend sein: Er kann mich in Konflikt bringen, er kann meine Vorstellungen durchkreuzen, es gibt Entscheidungen, die ich nicht nachvollziehen kann. Gehorsam dispensiert nicht von persönlicher Unterscheidung. Er heißt nicht nur unterschiedslos „Ja“ sagen, sondern auch sehen, wo ich „Nein“ sagen muss. Er lenkt meinen Blick auf das Gemeinwohl und mutet mir zu, mein persönliches Wohl damit in Balance zu bringen. Und doch: Gerade so kann Gehorsam meiner eigenen Weiterentwicklung dienen. Durch ihn können mir neue Fähigkeiten zuwachsen – wenn ich mich traue, mit Gott an der Seite meine Grenzen auszuloten und manchmal meinen Fuß auf neues Land zu setzen.

 

 

Sr. Anneliese Herzig MSsR

 

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