Mag. Lukas Cioni
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Heute würde es wohl für Irritation sorgen, wenn ein Politiker zu einer für das Land wichtigen Besprechung aufbricht und vor der Abreise einen Ordensmann bittet: „Lassen Sie beten wie noch nie.“ So geschehen 1955, als Bundeskanzler Julius Raab vor seiner Reise zu den Staatsvertragsverhandlungen nach Moskau diese Bitte an den Franziskanerpater Petrus Pavlicek richtete. Warum aber gerade an diesen? Weil Pater Petrus knapp nach Kriegsende, im Jahre 1947, eine Gebetsbewegung für die Freiheit Österreichs initiiert hatte und ab 1950 jährlich eine Lichterprozession auf der Wiener Ringstraße organisierte, der sich immer mehr Menschen anschlossen.
Zuerst gab es Ablehnung
Seit 1945 war das Land unter den vier Alliierten, den Engländern, Amerikanern, Franzosen und Russen, aufgeteilt. Das Leben für die Österreicher war dadurch nicht einfach, besonders in der russischen Besatzungszone sogar überaus gefährlich. In diesen schwierigen Zeiten hatte Pavlicek anlässlich eines Besuches im steirischen Marienwallfahrtsort Mariazell eine innere Eingebung: Als er vor der Statue der Magna Mater Austriae kniete, wurde er von der Botschaft von Fatima erfasst: Tut, was ich euch sage, und ihr werdet Frieden haben. Für ihn war dies der Aufruf, die Menschen zu der Gebetsbewegung zusammenzuführen. Seine Ordensleitung äußerte zwar Bedenken, aber Pater Petrus ließ sich nicht abhalten – und die steigende Beteiligung der Menschen an den vorerst monatlichen Sühnesonntagen gab ihm recht.
Als die Verhandlungen zur Erlangung der Freiheit Österreichs ständig am „Njet“ der Sowjets scheiterten, fasste Pavlicek 1950 den Entschluss, eine Lichterprozession über die Wiener Ringstraße zu organisieren. Der damalige Erzbischof von Wien, Kardinal Theodor Innitzer, wollte alles, was wieder nach einer Verquickung von Kirche und Staat aussah, vermeiden und sprach sich vorerst dagegen aus. Doch Pater Petrus bekam Unterstützung vom damaligen Bundeskanzler Leopold Figl, der meinte: „Und wenn wir beide alleine gehen, mein Vaterland ist mir das wert.“ Sie waren nicht allein. Im Gegenteil: Tausende Wiener gingen mit ihnen, mit Kerzen in den Händen und den Rosenkranz betend, nicht nur einmal, sondern auch in den kommenden Jahren.
Auf Umwegen zum Glauben
Petrus Pavlicek war ein Mann mit Durchsetzvermögen – aber auch mit einer sehr bewegten Vergangenheit: Geboren wurde er als Otto Augustin, so sein Taufname, am 6. Jänner 1902 in Innsbruck. Nach der Matura 1920 in Olmütz zog er als Kunstmaler durch halb Europa. Der Austritt aus der Kirche 1923 und eine überstürzte Heirat in Paris sowie die rasch darauf folgende Scheidung gehörten zu diesem unsteten Leben.
In den 1930er-Jahren kam er nach Österreich zurück, trat wieder in die Kirche ein und wollte, nach tiefen Glaubenserlebnissen, in den Franziskanerorden eintreten. Weder in Wien noch in Innsbruck zeigte man sich darüber erfreut. Erst in Prag traf er auf offene Ohren – und empfing dort schließlich auch 1941 die Priesterweihe. Wegen Wehrdienstverweigerung landete er 1942 noch vor einem Kriegsgericht. Er wurde freigesprochen, rückte als Sanitäter ein und geriet 1944 in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr 1945 wurde er Mitglied des Franziskanerkonvents in Wien. Er starb am 14. Dezember 1982, das Seligsprechungsverfahren wurde im Jahre 2000 eröffnet.
Auch nach Abschluss des Staatsvertrages 1955 setzte die „Rosenkranz-Sühnekreuzzug-Gemeinschaft“ ihr Gebet fort. Seit 1958 treffen sich die Mitglieder jährlich am 12. September, dem Fest Mariä Namen, zu einem Festgottesdienst. Viele Jahre war die Wiener Stadthalle der Ort des Treffens, seit 2011 ist dies der Wiener Stephansdom. Der Gedanke, für den Frieden zu beten, ging bald über die Grenzen Österreichs hinaus. Heute gehören in 130 Ländern rund 700.000 Mitglieder dieser Gebetsgemeinschaft an – 80.000 von ihnen allein in Österreich. Die Idee eines Menschen, der für sich selbst erst seinen Frieden finden musste, wurde zu einem weltweiten „Gebetssturm“ für den „Frieden in Kirche und Welt“.
Ingeborg Schödl
Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2017 | Ausgabe September/Oktober 2017
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