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"Was wird mir in meiner Identität fehlen, wenn ich das nicht mehr tun kann, was ich als Priester immer leidenschaftlich gerne getan habe?" Diese Frage habe ihm am meisten Angst gemacht, als er vor der Entscheidung stand, sein Amt zugunsten der Beziehung zu Nora niederzulegen, sagt Max Tödtling. "Ich habe mit Leib und Seele zelebriert. Es war für mich das Schönste, am Altar zu stehen, Eucharistie zu feiern oder die Taufe zu spenden."
Jetzt ist der 46-jährige frühere Dechant von Leoben (Steiermark) einfacher Kirchgänger, nimmt am liturgischen Geschehen "in anderer Rolle" teil – und fühlt sich wohl dabei.
Max und Nora – eine "Dornenvögelgeschichte", wie sie die Medien lieben. Nur mit anderem Ausgang. Das "Outing" des beliebten Seelsorgers sorgte im April 2015 für Schlagzeilen. Am Ostermontag hatte er sich vor seine Gemeinde gestellt und tief bewegt seinen Amtsverzicht verkündet. Nach jahrelangem "Versteckspielen" wollte er so nicht weitermachen und auch öffentlich zu Nora Musenbichler (33) stehen, die als Koordinatorin der "Vinzi-Werke" selbst kirchlich exponiert ist.
Im "miteinander"-Interview erzählen die beiden ihre Geschichte. Max, ein "g’standenes Mannsbild", humorvoll und geerdet; Nora, eine adrette, selbstbewusste junge Frau. Vor 15 Jahren, als sie einander während der Kaplanszeit von Max in Knittelfeld kennenlernten und bald merkten, dass da mehr als nur Sympathie keimte, hatten sie mit sich gerungen, ob das denn sein darf: die "unmögliche Liebe" zwischen einer damals noch im Teenageralter befindlichen Frau und einem Mann, der bei der Priesterweihe Ehelosigkeit versprach.
Schon in seiner eigenen Jugend als kirchlich sozialisierter Oststeirer fragte sich Max, ob er für seinen Wunsch, Priester zu werden, auf Ehe und Familie verzichten kann. Im Priesterseminar sei der Zölibat wohl ein Thema gewesen, "aber wenn man dann an die pastorale Front hinauskommt, ist das nochmal was anderes". Letztlich habe er den Zölibat "in Kauf genommen – und das konnte auf lange Sicht nicht gut gehen".
Er ist "gescheitert" an dieser Lebensform, die für andere passend sei, aber nicht für ihn. Für dieses Scheitern habe er sich auch öffentlich entschuldigt – nicht für die Beziehung zu Nora, aber für die Enttäuschung, die er manchen bereitete. Seine Beziehung habe ihm über die Jahre viel Kraft gegeben, Gott sei in ihrer Liebe präsent wie in jener von Eheleuten, sagt Max. Der jetzige Caritas-Mitabeiter lehnt es ab, das "gegeneinander auszuspielen": Ehelose können ganz für Gott da sein, Verheiratete aber nicht. Seine Erfahrung: Bei den Aufgabengebieten der beiden – Nora im Einsatz für Obdachlose, Max für Menschen in ihrer letzten Lebensphase –, bestärken sie einander als Glaubende, die sich viel austauschen.
Im Februar 2015 informierte Tödtling die Kirchenleitung über seinen Entschluss, das Amt niederzulegen. Diözesanadministrator Schnuderl wandte ein Regelwerk an, das noch Bischof Kapellari für solche Fälle verfügte. Bis zu 7.000 Euro Unterstützung bekommen Ex-Priester für einen beruflichen Neuanfang, der kirchliche Bereich steht dabei offen. Max wird ab Herbst eine Heimleiterausbildung für seine Caritas-Arbeit absolvieren. Die Diözesanverantwortlichen seien fair und respektvoll mit seinem Entschluss umgegangen, obwohl sie das Ausscheiden des beliebten Seelsorgers sehr bedauerten.
Die Resonanz der Medien und der Gläubigen auf das "Outing" war überwiegend wohlwollend. Auch wenn es davor immer wieder Gerüchte gab (die Max mehrfach zum werdenden Vater machten), waren viele Gemeindemitglieder zunächst "von den Socken", erinnert er sich. Eine habe gesagt: "Wenn du in eine andere Pfarre weggingst, würden wir dir das nie verziehen. Aber die Nora, die kennen und mögen wir, die sei dir vergönnt." Eine andere Katholikin habe mit der Ankündigung überrascht: "Euren ersten Kinderwagen kaufe ich!" Nie hätten Max und Nora von der bekannt frommen Frau das erwartet.
Früher, bei heimlichen Urlauben, hat das Paar immer wieder jemand getroffen, der sie eigentlich nicht zusammen sehen sollte. Nur heuer, nach dem Outing, war weit und breit kein "Kiebitz" zu sehen, berichtet Max lachend. Das Paar will heiraten, sobald der Vatikan grünes Licht für die Laisierung gibt. Insofern sei er als Priester wohl "erfolgreich gescheitert", so Max Tödtling. Zugleich aber habe sich dieses Scheitern für ihn in seiner Liebe zu Nora letztlich zum Erfolg gewendet.
Robert Mitscha-Eibl
Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2016 | Ausgabe März
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