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Lob der Freundschaft

Die Zweifelnden beraten

Unsere Serie zum "Jahr der Barmherzigkeit"

Ratschläge haben keinen guten Ruf. Dennoch: Andere um Rat bitten und denen beistehen, die nicht weiter wissen, ist eine Jahrtausende alte christliche Praxis und ein Werk der Barmherzigkeit.

 

"Menschen kommen immer wieder in Situationen der Unsicherheit, in Krisensituationen, wo sie selbst nicht mehr spüren, was richtig ist. Ich erlebe oft, dass es da hilft, mit anderen zu sprechen, mit jemandem, der einen kennt, der aber auch eine Distanz hat, um objektiv zu sein", sagt der Theologe und Psychologe Klemens Schaupp. Der Priester leitet den Lehrgang "Geistliche Begleitung" am Kardinal König Haus und steht Menschen, die Rat suchen, zur Seite.

 

Der junge Mann, der mit der Frage nach seiner Berufung ringt. Die Frau, deren Ehemann sie und die gemeinsamen Kinder verlassen möchte. Der Mann, der nach dem Jobverlust die Orientierung verloren hat.Ein Wort von außen könne in diesen Situationen, in denen der innere Halt fehlt, äußeren Halt geben, sagt Schaupp. Er verweist auf die Wüstenväter, die Mönche, die in den ersten frühchristlichen Jahrhunderten Menschen mit ihren Fragen und Nöten in der Wüste empfingen. "Die Wüstenväter waren die ersten halbprofessionellen Ratgeber. Ihre Haltung war: Ein guter Rat ist etwas, das von Gott kommt." Schenkte Gott ihnen ein Wort für den Ratsuchenden, sagten sie es weiter. Wenn nicht, schickten sie ihn mit der Bitte ein anderes Mal wieder zu kommen, weg.

 

Keine leeren Floskeln

 

Die innere Einstellung der Wüstenväter sei für jeden, der sich in der Position des Ratgebenden wiederfindet, hilfreich: "Ich bin nicht der große Experte, der dem anderen gegenüber sitzt und gnädig Ratschläge gibt. Sondern beide sind Hörende", betont Schaupp. Das Element der Stille gehöre deshalb wesentlich zu einem Gespräch mit jemandem, der in einer Krise ist. "In der Stille vor oder nach dem Gespräch kann man sich vergegenwärtigen, dass Gott da ist", sagt Schaupp.

 

Im Gespräch selbst sei es manchmal notwendig, Stille einfach auszuhalten und nicht vorschnell irgendeine Floskel zu sagen. "Das wird schon wieder" oder "Es wird schon einen Sinn haben" solle man sich lieber verkneifen und immer fragen: "Was motiviert mich, etwas zu sagen? Floskeln und Verströstungen dienen eher der eigenen Unsicherheit als dass sie dem anderen helfen.“ Wenn die Worte fehlen, könne man einfach zuhören und emotional nicht davonlaufen. "Solidarisch dableiben, auch wenn sich im Moment noch keine Lösung zeigt."

 

Quälendes aussprechen

 

Die Wüstenväter wussten, wie wichtig es ist, sich mit quälenden Ängsten und beunruhigenden Gedanken an einen Menschen des Vertrauens zu wenden und Rat zu suchen. "Je länger man Fragen oder Selbstzweifel mit sich herumträgt, desto belastender können sie werden", sagt Klemens Schaupp. Gerade in Beziehungen könne Unausgesprochenes zum Stolperstein werden. Misstrauen, das ein Mann seiner Partnerin gegenüber hegt, verschärfe sich, wenn er es für sich behält.

 

Wer im christlichen Kontext Ratsuchenden zur Seite steht, müsse nicht wie andere Therapeuten weltanschaulich neutral bleiben. "Anbieten, nicht aufdrängen" könne man die eigene Hoffnung, dass Gott alles zum Guten führt.

 

Sandra Lobnig

 

Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2016 | Ausgabe September

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