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Aus dem neuen »miteinander«

Abschied vom ewigen Eis

Pfiat di, Gletscher: Wenn ewiges Eis schmilzt

Unsere Gletscher sterben den Klimawandel-Tod: Unterwegs auf einer gleichzeitig wehmütigen wie hoffnungsvollen „Pfiat die Gletscher“-Tour. Von Wolfgang MACHREICH

 miteinander 11-12/2024

Lone male mountain climber climbing a snowy ridge; Mont Blanc, Europe.

Jedes Jahr Ende Juni, am Vortag des Kirchfests Peter und Paul, starte ich nach einer Frühmesse in Ferleiten auf der Salzburger Seite der Hohen Tauern in die Pinzgauer Wallfahrt nach Heiligenblut im Kärntner Mölltal. Als einer von Hunderten Wallfahrern stapfe ich die ersten zwei, drei Stunden des Weges die Großglockner-Hochalpenstraße hinauf; wir beten den Rosenkranz, „… bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes“. Auf der Talseite vis-à-vis sehe ich die Todesstunde der Gletscher des Großen Wiesbachhorns jedes Jahr schneller näherrücken. Statt der eisbedeckten Flanken, wie in meiner Jugendzeit vor vierzig Jahren, wachsen heute grüne Hänge, leuchtet mir statt weißen Schnees grauer, schwarzer Fels entgegen.

In früheren Jahrhunderten zogen die Bergler in Gletscherprozessionen zu den drohenden Eisabbrüchen oberhalb ihrer Dörfer hinauf, gelobten Tugendhaftigkeit und stellten Gletscherkreuze zum Schutz vor „Verheerung des Thales“ auf. An die Stelle der Furcht vor dem Ewigen Eis treten heute Trauer, Wehmut und Sorge über unsere Gletscher im Klimastress, die auch in ökumenischen Trauerfeiern auf den Gletschermoränen entlang des Alpenbogens einen kirchlichen Ausdruck finden.


Fieberkurve-Wandertour
„Zum ersten Mal wissen wir, wo wir ansetzen müssen. Wir können diese Vorgänge erklären und zünden im Unterschied zu früher nicht mehr Leute als Schuldige für die Wetterveränderungen an“, verweist die Gletscherforscherin Andrea Fischer auf einen wichtigen Unterschied zu seinerzeit. So wurden 1575 der Pfarrer und die Pfarrersköchin von Bramberg, dem Ursprungsort der Pinzgauer Wallfahrt, des Verbrechens der Wettermacherei beschuldigt und am Scheiterhaufen verbrannt.

miteinander-Magazin 11-12/24
Heute sind der CO₂-Ausstoß und die Treibhausgasemissionen unseres Lebenswandels als Turbo des menschengemachten Klimawandels identifiziert. Auf der von der Glaziologin Fischer wissenschaftlich begleiteten „Pfiat di Gletscher“-Tour ins Jamtal im Dreiländereck Tirol–Vorarlberg–Schweiz wandert man entlang der Fieberkurve des Gletschers, der sich Jahr für Jahr schneller in den Talkessel zurückzieht. „In der Endphase geht es schnell“, sagt Fischer, im Jahr 2050 werde der Jamtalferner weg sein, schätzt sie. Am Innsbrucker Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften verfolgt Fischer das Gletschersterben mit forschender Neugier, denn „wir beobachten Dinge, die noch nie jemand gesehen hat“.

„Es gibt in der Natur nie ein Zurück, es gibt immer nur ein Neu“

„Wusch, und es ist grün!“
Wenige Meter von ihren Messstangen entfernt begleitet eine vom Schmelzwasser ins Eis gedrehte spiralförmige Gletschermühle das Gletschersterben mit ihrem Totenlied; gleichzeitig spielt das Rauschen aber auch die Ouvertüre für neues, blühendes Leben: „Das Eis ist nur wenige Jahre weg und es macht wusch, und es ist grün“, sagt Fischer und zeigt auf einen Fichtenbuschen, der unterhalb der Gletscherzunge wächst.
In 80 bis 100 Jahren rechnet sie mit einer geschlossenen Vegetation im Jamtal. Dann wachsen dort Bäume, wo heute noch die hölzernen Eis-Fieberthermometer der Glaziologen stehen. „Es gibt in der Natur nie ein Zurück, es gibt immer nur ein Neu“, sagt Fischer und gibt mir und anderen, die den Gletschern nachtrauern, den Rat: „Damit müssen wir uns insbesondere im Hochgebirge noch stärker anfreunden.“

 


Wolfgang Machreich

Wolfgang Machreich
ist freier Journalist, Autor und Redaktionsmitglied des miteinander-Magazins.

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