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Aus dem neuen »miteinander«

„Erfahrung einer Idealwelt“

Interview zum Nahtoderlebnis von Josef Streisselberger

Autounfall, Reanimation, Koma: 1997 änderte sich das Leben von Josef Streisselberger. Heute sieht der 60-Jährige seine Aufgabe darin, Menschen von seiner Nahtoderfahrung zu berichten.

Das Interview führte Lukas CIONI

miteinander 7-8/2025

miteinander 7-8/25

Herr Streisselberger, Sie hatten am 9. März 1997 eine Nahtoderfahrung. Wie ist es dazu gekommen?
Es geschah nach einem Autounfall am Heimweg von einem Treffen mit Freunden.Ich saß hinter dem Autolenker – obwohl ich seit der Kindheit nie hinter dem Fahrer sitze. Ich erwähne das, da viele Momente eine Art Vorahnung waren für das, was kam. Der Tag wurde von einem Gefühl begleitet, als ob alles ineinandergreift. Eigentlich ein perfekter Tag. Meine Frau und meine Kinder gingen früher. Ich sagte: Ich komme bald wieder nach Hause, aber war selbst von dem befremdlichen Satz überrascht. Auf meiner Heimfahrt kam es dann zu einem Frontalzusammenstoß mit einem Fahrzeug. Ich lag eingeklemmt im Auto im Straßengraben, fühlte keine Schmerzen, hatte Nasenbluten und wurde ohnmächtig.

 

Was geschah, nachdem Sie das Bewusstsein verloren hatten?
Ich hörte ein schrilles, nicht auszuhaltendes Pfeifen. So, als ob sich meine Seele vom Körper löst. Ich sah mich von oben am Boden liegend. Die Situation war lebensbedrohlich: Mittelgesichtsbruch, Schädel- Hirn-Trauma und ein Pneumothorax mit einer Luftansammlung in der linken Lungenhälfte. Ich sah den Notarzt und die Sanitäter. Ab dem Zeitpunkt veränderte sich meine Wahrnehmung erneut.

 

Inwiefern, was passierte dann?
Ich sah ein Licht und es begann ein Gefühl, das mir zeigte, dass nicht mein Körper, sondern dieses Licht von Bedeutung war. Es faszinierte mich, ich empfand Geborgenheit und begriff, dass ich meinen Körper nicht brauche, um der zu sein, der ich bin, denn: Ich bin Geist und Bewusstsein. Es folgten Sequenzen aus meinem Leben – unverarbeitete Dinge, Fehltritte. Es war kein Lebensfilm, nur Ausschnitte – mein Seelengepäck, bestehend aus unerledigten Dingen, wie den Hausbau fertigzustellen und die Versorgung meiner Familie. Seit dem Erlebnis gibt es für mich keinen Tod mehr im klassischen Sinn, nur einen Übergang von einem körperlichen in einen körperlosen Zustand.

 

Wie haben Sie diesen Übergang erlebt?
Ich fühlte mich weniger in einem Tunnel, vielmehr fokussierte ich mich so auf das Licht und alles herum verblasste. Es strahlte Harmonie und Frieden aus und war ein vertrautes Gefühl, wie wenn man nach Hause kommt. Heute erinnere ich mich an diese Sehnsucht als einen der schönsten Momente meines Lebens. Die Erfahrung einer Idealwelt. Ein Verbunden-Sein mit allem, was ist und war – als Teil eines Ganzen.

 

Haben Sie sich allein gefühlt?

Keineswegs. Ich habe andere Seelen gespürt. Der Übergang selbst glich einem „Wartesaal“ und ich war zeitgleich mit meinem Körper und mit dem jenseitigen Teil meiner Seele verbunden. Ich kommunizierte mit meinem höheren Selbst – ohne Worte, aber der Erkenntnis: Wenn du Richtung Licht gehst, wird die Verbindung zum Körper enden und du kannst nicht mehr zurück. Es gab aber noch unerledigte Aufgaben und mir war klar: Ich wollte zurück und nur ich allein entscheide das. Ab dem Entschluss zurückzukehren verlor das Licht an Bedeutung. Heute ist es mir Trost, diese Glückseligkeit erlebt zu haben – und die Gewissheit, dass alles gut wird. Ich glaube an die Herrlichkeit des Lebens.

 

Wie erlebten Sie die Zeit im Spital?
Drei Wochen lag ich im Koma und wurde mehrmals operiert. Ich erwachte auf der Intensivstation, nahm mein Umfeld zwar wahr, sehnte mich aber anfangs nach der erlebten Glückseligkeit. Ich war intubiert und konnte nur zwinkernd kommunizieren. Meine Familie befestigte Fotos direkt über meinem Kopf. Das führte mich zurück ins Leben und erinnerte mich an meine Aufgaben.

 

Mit wem haben Sie als Erstes über das Erlebte gesprochen?

Zu Beginn fiel es mir schwer, die Eindrücke in Worte zu fassen. Mein konditioniertes, logisches Denken wollte alles als Traum abtun, doch dafür war es zu real, zu prägend. Es war keine Halluzination, keine Fehlleistung des Gehirns und trotzdem war ich vorsichtig, was und mit wem ich darüber spreche. Als ich mich meiner Frau anvertraute, konnte ich all das noch nicht präzise beschreiben. Wie sollte es jemand verstehen, wenn ich es selbst kaum in Worte fassen konnte? Sie reagierte dennoch verständnisvoll.


Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus all dem?
Jede Form von Materie ist Energie. Nach dem Energieerhaltungssatz kann Energie nicht vernichtet werden, nur umgewandelt – und so habe ich das erlebt. Ich weiß nun, dass alles miteinander verbunden ist. Der Anspruch im Leben ist es daher, seelisch zu wachsen, Selbsterkenntnis zu erlangen und zu reifen – eine Art Lebensschule. Wir sind zu 100 Prozent für unser Handeln verantwortlich. Ich gehe so weit zu sagen, es war meine Entscheidung, ins Auto zu steigen – oder ins Leben zurückzukehren.

 

Was bedeutet Ihnen Glaube, Beichte und Vergebung?
Aufgewachsen in einem katholischen Haushalt, habe ich Religion als Erwachsener nicht intensiv praktiziert. Bei Bräuchen blieb die Konditionierung und wurde auch an die Kinder weitergegeben. Bei meiner Nahtoderfahrung hat Religion aber keine Rolle gespielt. Ich habe keine biblischen Figuren oder religiöse Elemente erlebt. Wichtig ist mir der Glaube an etwas verbindendes Größeres, denn wir alle sind eins.
In unserem Leben geht es darum, die Ursachen unseres Wirkens und Handelns zu erfassen. Wenn wir mögliche Verfehlungen erkennen, ist es wichtig, die Ursache zu erschließen. Wenn man das ehrlich und glaubhaft tut, ist es wie eine innere Beichte. Daraufhin kann die Beichte, etwa bei einem Priester, erfolgen. Sich selbst und sein Fehlverhalten anzuerkennen und sich damit zu konfrontieren, ist in jedem Fall die Voraussetzung.

 

Was möchten Sie den Menschen weitergeben?

Ich habe durch den Unfall eine positive Vorstufe des Jenseits erleben dürfen und bin nun ein ausgeglichener Mensch, da ich einen erfüllenden Blick hinter den Vorhang werfen durfte, der mir meine Aufgaben vor Augen geführt hat. Davon abgeleitet wurde mir klar, dass jeder bestimmte Aufgaben hat, um die sich das Leben dreht. Meine Erkenntnis ist: Wir kommen auf diese physische Welt zur seelischen Entwicklung. Dazu gehört die Erkenntnis, dass alle Energie miteinander verbunden ist. Für mich bedeutet das: Selbst wenn wir keinen Körper haben, sind unsere Seelen und die Energien jedes Menschen miteinander verbunden und ineinander übergehend.

Aus diesem Bewusstsein heraus ist es umso wichtiger, gemeinsam zu wachsen, denn niemand kann allein existieren. Zusammenfassend möchte ich Menschen ermutigen, sich mit der eigenen Existenz zu befassen – mit einem Blick auf sich selbst, abseits des Körperlichen. Dieser Blick ist wie das Amen im Gebet, der Anfang und das Ende zugleich, denn alles ist miteinander verbunden und jeder Mensch hat Aufgaben. Für mich ist das die Weitergabe meiner Eindrücke, eine Art Bestimmung.

 

 

Nahtoderfahrung (NTE)miteinander 7-8/25

Die systematische NTE-Forschung gründet auf dem 1975 erschienenen Buch des USPsychiaters
Raymond Moody Life after Life. Hier werden Berichte Wiederbelebter mit auffallenden Ähnlichkeiten analysiert und der Begriff „Near Death Experiences“ begründet. Charakteristische Phänomene wie das Wahrnehmen positiver Gefühle, außerkörperliche Erfahrungen, Lichterscheinungen, Offenbarungen, transzendente Begegnungen oder Lebensein- und -rückblicke gelten als Basis für die empirische Forschung. Die 1999 in Deutschland durchgeführte Studie „Todesnäheerfahrungen in Ost- und Westdeutschland“ spricht von vier bis fünf Prozent der Bevölkerung, die bereits eine NTE hatten. Keinen Einfluss haben laut Studie Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Beruf, sozioökonomischer Status oder Religiosität. Der Sammelbegriff NTE umfasst eine Vielzahl von Merkmalen aus unterschiedlichen Disziplinen. Moderne Nahtod-Studien sind interdisziplinäre Forschungen der Bereiche Medizin, Psychologie, Psychiatrie, Soziologie, Philosophie und Theologie.

 


miteinander 7-8/25

Josef Streißelberger: Emotionen. Wie Gefühle unser Verhalten beeinflussen. Auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, Verlag BoD – Books on Demand: 2024, ISBN: 978-3-7578-8246-4, € 14,00

 

Web-Tipp

Emotionen. Wie Gefühle unser Verhalten beeinflussen

 

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