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Aus dem neuen »miteinander«

Ethik-Studium im Fußballstadion

Zum Schiedsrichter berufen

Demnächst startet die Fußball-EM in Deutschland. Auf der Zuschauertribüne mit dabei ist der Theologieprofessor und Schiedsrichterbeobachter Thomas Gremsl.

Von Wolfgang MACHREICH

miteinander 5-6/2024

miteinander-Magazin 5-6/24

Wenn der Theologe und Ethiker Thomas Gremsl einem Fußballspiel zuschaut, tut er das aus privatem, sportlichem und beruflichem Interesse. Der Steirer ist Professor am Institut für Ethik und Gesellschaftslehre an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt die Ethik der Digitalisierung und des Sports. „Der Fußballplatz ist ein Schmelztiegel der Gesellschaft“, in dem Menschen aus unterschiedlichen Schichten, Berufen, Alt und Jung zusammenkommen, sagt Gremsl und folgert daraus: Eine Theologie mit dem Anspruch, dort zu sein, wo die Menschen sind, könne in diesem Mikrokosmos viel lernen.


Schiedsrichter und Sozialethiker
Das Miteinander und Gegeneinander am Fußballplatz und auf den Zuschauerrängen kennt Gremsl immer schon aus einer herausgehobenen Position: Kaum der Volksschule entwachsen, hatte er bereits bei Nachwuchsturnieren des Bruders das Schiedsrichterpfeiferl im Mund: „Ich habe schon immer gern Verantwortung übernommen.“ Mit 14 wurde er offiziell Schiedsrichter beim Steirischen Fußballverband und ist dort nach wie vor als Schiedsrichterbeobachter aktiv. „Auf Basis des Regelwerks gerecht zu handeln und dabei unter hoher körperlicher und oft auch mentaler Belastung Bestleitungen abzuliefern“, beschreibt er die Schiedsrichter-Rolle und zieht damit eine Parallele zu seinem Fach.

„Ich habe schon immer gern Verantwortung übernommen.“

Dem Sozialethiker geht es besonders um die Reflexion gesellschaftlicher Strukturen mit Blick auf Dimensionen von Gerechtigkeit. „Wir beschäftigen uns mit den Ermöglichungsbedingungen für gutes Leben“, nennt Gremsl als Kernthema christlicher Gesellschaftslehre, die um die Frage kreist: „Wie sollen die sozialen Umwelten, unsere gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen gestaltet sein, damit sie auch möglichst gerecht sind?“


Nicht den Menschen rausdividieren
Die rasende Digitalisierung aller Lebensbereiche stellt diese sozialen Ordnungen gerade massiv infrage – das betrifft auch den Fußball. Bei der Weltmeisterschaft in Katar 2022 kam bereits Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz, die Schiedsrichterassistenten für die Abseitsbewertung ersetzen könnte. Aufgrund der hohen Kosten dieser KI-Systeme sind solche digitalen Umwälzungen alter Fußball-Traditionen nur im Profibereich einführbar. Der Nutzen, dass „damit mehr Recht geschieht, dass es zu mehr Gerechtigkeit kommt, ist laut Studien sehr gering“, kritisiert Gremsl. Der Logik des Profits gehorchend, driften dadurch aber Amateur- und Profibereich auseinander. „Was bedeutet es, wenn hier sukzessive der menschliche Faktor rausdividiert wird?“, fragt der Sozialethiker und gibt eine Antwort, die für die digitale Transformation generell gilt: „An erster Stelle muss immer die Suche nach dem richtigen Maß stehen – und im Mittelpunkt steht der konkrete Mensch.“


So wie die Sozialen Medien wird auch der Fußballplatz von vielen als Ort missbraucht, wo man hemmungslos drauflosschimpfen und hetzen kann. „Was da an verbaler Gewalt abgeht, ist ein Wahnsinn“, sagt Gremsl und zieht daraus seinen Schluss für beide Sphären. So wie am Fußballplatz braucht es in der digitalen Welt einen strukturierten Rahmen, der Hassreden Einhalt gebietet, gleichzeitig sind aber auch Selbstverantwortung und Bildung des Herzens nötig. „Digitalisierung ist keine Naturkatastrophe, die einfach über uns hinwegfegt, sondern menschengemacht. Unser Ziel muss sein, dass jede und jeder Einzelne anerkennt: Am anderen Ende der Leitung sitzt auch ein Mensch.“


miteinander-Magazin 5-6/24

Thomas Gremsl
ist seit 2022 Professor für Ethik und Gesellschaftslehre an der Universität Graz, Leiter des Ethiklabors, Vorsitzender der Ethikkommission an der TU Graz sowie Mitglied der Kommission für Schiedsrichterwesen und Referent in der Disziplinarkommission des Steirischen Fußballverbands.

 

 

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