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Aus dem neuen »miteinander«

Ist Gott Liebe?

Theologie mit Herz

Ein Bekenntnis – eine Anfrage – eine Hoffnung. Von Thomas SÖDING

miteinander 1-2/2026

Hand of parishioner is inserting heart symbol into hole for donations in form of Christian cross on white background. Idea of sincere devotion for faith with all heart

Gott ist Liebe“: Zweimal steht der ,Satz im Ersten Johannesbrief (1 Joh 4,8.16). Ist damit alles klar? Bestehen noch Zweifel? Macht die Gewissheit bequem? Ja: Der Satz bringt eine Grundüberzeugung des Gottesvolkes Israel auf den Punkt. Ja: Er entspricht der Verkündigung Jesu. Ja: Er ist das Beste, was die Bibel theologisch zu bieten hat. Aber: Bestehen die Worte den Faktencheck? Die Erfahrung von Unrecht? Die Leidensgeschichte? Nicht, wenn sie nicht hinterfragt, sondern für bare Münze genommen werden, mit der man einen Handel mit Gott treiben könnte.

 

Die Wahrheit der Liebeserklärung ist nur dann gedeckt, wenn der klare Monotheismus, die volle Christologie und die ganze Härte des Lebens vor Augen stehen. Deshalb kommt an der ersten Stelle als Begründung eine Kurzformel des Glaubens, die nichts weglässt, sondern alles verdichtet: „Darin ist die Liebe Gottes erschienen, ,dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben“ (1 Joh 4,9). Dass in Jesus
die immerwährende Liebe Gottes ein für alle Mal ihr menschliches Gesicht gezeigt hat, ist das Grundbekenntnis des Christentums bis heute. Die Eckpunkte sind denkbar
eng verbunden und denkbar weit gefasst: Gott und Sohn, Welt und Leben. Mitten drin: Wir. Aus Liebe.

"Menschen erleiden den Schmerz der Liebe,

der beim Verlust eines Menschen umso heftiger ist, je näher er einem gestanden hat.

Sie erfahren auch den Trost der Liebe, die den Tod überdauert."

Frohe Botschaft in Person

Dass so gut von Gott gesprochen werden kann, verbürgt Jesus: mit den Psalmen, mit der Tora, mit der Prophetie, inmitten der Leidens- und Hoffnungsgeschichte seines Volkes und geöffnet für Menschen aus allen Nationen. Die Sendung Jesu dient nicht der Vernichtung, sondern der Heilung und Rettung. Sie ist eine Erscheinung: eine Offenbarung – die Erscheinung und die Offenbarung. Jesus ist nicht nur einer von vielen, die gut von Gott sprechen, sondern der eine und einzige, der geliebte Sohn Gottes, der in Gottes Namen, in Gottes Vollmacht, in Gottes Willen sagt, was er sagt, und tut, was er tut. Jesus ist die Frohe Botschaft in Person.
Die Fortsetzung der Erklärung ist hart, weil konsequent: „Darin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10). Wer also die Bibel wörtlich nehmen will, muss den hoffnungsvollen Glaubenssatz: „Gott ist Liebe“ mit dem härtesten Widerspruch versöhnen, den er auslöst: dass Jesus am Kreuz gestorben ist und dass dieser Tod gut für „uns“ sein soll. Ist er das? Die biblische Theologie spekuliert nicht über Gott, sondern deutet die Geschichte. Der Tod ist real – auch der Tod Jesu. Es steht dem Glauben nicht frei, die Augen vor dem Kreuz zu verschließen – es steht ihm aber frei, den Tod Jesu nicht zu isolieren, sondern in den Kontext zu stellen, in den er gehört: Wie Jesus selbst es getan hat.


Von der Niederlage zum Sieg
Dieser Kontext ist zum einen der des Lebens Jesu. Nach dem Johannesevangelium ist es von sieben „Zeichen“ geprägt, die Jesus gesetzt hat, um Gottes Herrlichkeit auf Erden aufleuchten zu lassen. Das siebte ist die Auferweckung des Lazarus. So wie Johannes es darstellt, ist es dieses Wirken, das den Widerspruch gegen Jesus auslöst und am Ende zu einem üblen Bündnis zwischen den Hohepriestern führt, die sich anmaßen, für „die Juden“ zu sprechen, und Pontius Pilatus, dem römischen Statthalter, der Recht sprechen soll, aber das Recht beugt. Jesus hat diesen Tod nicht gewollt – aber er hat ihn angenommen: in Gottes Liebe. Dadurch hat er ihn verwandelt: von der Niederlage zum Sieg, von der Schande zur Ehre, vom Abbruch zur Vollendung.
Der Kontext des Todes Jesu ist zum anderen die Auferstehung. Jesus hat auf den lebendigen Gott gesetzt, für den die Menschen nicht tot bleiben, sondern aufleben – und nach Johannes, der die historischen Verhältnisse verdichtet, hat Jesus ausdrücklich seine Auferstehung verkündet: als Grund des Heils für alle. Durch die Auferstehung wird das Kreuz nicht Vergangenheit, sondern bleibt Gegenwart: in der Ausstrahlung der Liebe Gottes.


Vom Brennen der Liebe
Diejenigen, die am Leben, am Sterben und an der Auferstehung Jesu die Liebe Gottes Liebe erkennen können, werden von ihr verwandelt. Einfach ist das nicht, aber es rettet. Menschen erleiden den Schmerz der Liebe, der beim Verlust eines Menschen umso heftiger ist, je näher er einem gestanden hat. Sie erfahren auch den Trost der Liebe, die den Tod überdauert. Beides passiert gleichzeitig. Die Liebe brennt. Sie ist das Gericht, das zwischen Wahr und Falsch unterscheidet; sie ist auch die Rettung, weil die Liebe in Gottes Kraft einen Menschen bejaht, auch wenn er gestorben ist. Wer stirbt, bleibt, hoffentlich, in der Erinnerung von Menschen lebendig – und diese Erinnerung ist in das Gedächtnis Gottes eingeschrieben, das die Vergangenheit nicht vergehen, die Gegenwart nicht verfehlen und die Zukunft nicht versäumen lässt.

 

Die Hoffnung, dass Gott Liebe ist, ist größer als die Frage, ob er Liebe ist. Das Bekenntnis zu Gottes Liebe baut die Spannung auf: zwischen dem Tod, den Menschen sterben, und dem ewigen Leben, das ihnen geschenkt wird, schon jetzt.

 


miteinander 1-2/26

Dr. Thomas Söding
ist Professor für Neues Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bochum und Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

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