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Aus dem neuen »miteinander«

Leben retten im Mittelmeer

Interview mit Pfarrerin und Journalistin Constanze Broelemann

Constanze Broelemann, Pfarrerin und Journalistin, begleitete 2020 die erste Rettungsmission des kirchlich unterstützten Seenotrettungsschiffs „Sea Watch 4“ im Mittelmeer. Bis heute ist sie in Kontakt mit geretteten Flüchtlingen. Von Ines SCHABERGER

miteinander 7-8/2024

miteinander-Magazin 7-8/24

2020 waren Sie als Journalistin bei einer kirchlich finanzierten Rettungsmission dabei. Hatten Sie Angst vor dieser Erfahrung?

Keine Angst, aber Respekt. Ich bin jetzt eine andere Person. Abseits meiner Komfortzone habe ich Dinge gesehen, die viele Menschen in Europa nie sehen werden.

 

Wie lief ein Rettungseinsatz ab?

In der Such- und Rettungszone hielten wir in einem Schichtsystem mit Spezial-Ferngläsern Ausschau nach Booten. Dabei half auch ein Flugzeug. Bei einem Notruf fuhren Schnellboote rasch zum Schiffsunglück. Ein kultureller Vermittler beruhigte alle, die Angst hatten, dass es sich um die libysche Küstenwache handeln könnte, die für ihre gewaltvollen „Pushbacks“ bekannt ist. Rettungswesten wurden verteilt und die Menschen nach und nach mit den Schnellboten zum Mutterschiff gebracht.

 

Wagen Flüchtlinge die Überfahrt ohne Rettungswesten?

Ja. Viele sitzen ohne Rettungswesten in völlig überfüllten, seeuntüchtigen Gummibooten, die Männer an den Seiten, Frauen und Kinder in der Mitte, in einem gefährlichen Gemisch aus Salzwasser und Benzin. Viele waren völlig erschöpft, einige auch seekrank. Nach vier Rettungen hatten wir 354 Personen an Bord. Elf Tage dauerte es, bis uns Palermo als sicherer Hafen zugeteilt wurde. Das wurde anstrengend, mit so vielen Menschen eng zusammengepfercht an Bord. Die Crew leistete Unmenschliches.

 

Wer ist die Crew?

Kapitäne und Schiffspersonal, dazu kommen Ärztinnen und Pflegepersonal sowie Aktivisten, die in ihren Ferien Seenotrettungseinsätze machen – freiwillig.

 

Warum wurde eine Person notevakuiert?

Es handelte sich um einen von insgesamt 90 Minderjährigen. Er hatte so schwere chemische Verbrennungen, dass die Ärzte ihn an Bord nicht mehr versorgen konnten. Zwei Tage mussten wir mit der italienischen Küstenwache verhandeln, bis er evakuiert wurde.

 

Sie sind auch evangelische Pfarrerin. Lässt Sie dieses Leid an Gott zweifeln?

An Gott nicht, eher am Menschen.

 

Mit einigen Geretteten blieben Sie in Kontakt. Was wurde aus ihnen?

Narcisse, der in Metz lebt, bekam gerade Asyl und will die französische Grammatik in der Schule nachholen, um eine Ausbildung zu machen. Cisse und ihre Kinder leben in Lyon und Doumbia wurde Elektroniker in Nizza.

 

Zivile Seenotrettung ist umstritten. Die „Sea Watch 4“ war als Handelsschiff registriert, da es Seenotrettungsschiffe offiziell nicht geben darf. Wie gingen Sie mit dieser Spannung um?

Ich finde es wertvoll, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Die Aktivistinnen und Aktivisten machen das, weil es Europa nicht tut. Dafür werden sie kriminalisiert, schikaniert und ihre Schiffe unter fadenscheinigen Ausreden in den Häfen festgehalten. Doch jeder Tag, den ein Seenotrettungsschiff im Hafen festsitzt, kostet – und in dieser Zeit sterben weitere Menschen im Mittelmeer.

 

Hinweis

Die evangelische Kirche Deutschland (EKD) initiierte United4Rescue mit, ein Bündnis für die zivile Seenotrettung. Das erste Rettungsschiff dieses Bündnisses, die „Sea Watch 4“, wurde an die Initiative „SOS Humanity“ verschenkt. Zuletzt wurden zwei schnellere Schiffe zur Seenotrettung ins Mittelmeer geschickt. Nähere Informationen zur Seenotrettung finden Sie unter: www.Sea-Watch.org.


miteinander-Magazin 7-8/24

Constanze Broelemann

studierte Theologie, ist Pfarrerin, Redaktionsleiterin der Zeitung «reformiert.» und Journalistin. 

 

 

 

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