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Aus dem neuen »miteinander«

Lob des Gewöhnlichen

Editorial aus dem "miteinander" | Ausgabe 1-2 / 2025 

Von Chefredakteur Henning KLINGEN

 

Als ich 1995 das Abitur machte, war ich froh und traurig zugleich. Froh, der täglichen
Schulroutine zu entkommen, den nächsten Schritt zu tun. Traurig, weil Gewohntes, das Sicherheit gab, schlichtweg endete. Alles war plötzlich außergewöhnlich. Ein Klassenkamerad schrieb damals auf die Frage, was er mit seinem Leben machen möchte, in unser „Abi- Buch“: „Keine Ahnung, aber es wird sicher was Cooles und Krasses.“ Ich hätte gern auch so etwas gesagt, hätte gern mit abenteuerlichen Plänen, mit Aussteiger-Fantasien geprahlt. Allein, ich konnte und wollte nicht. Ich liebte das Gewohnte, die Zeit mit meinen Freunden, den Sportverein. Außergewöhnlich genug gestaltete sich die Beziehung zu meiner damaligen Freundin und jetzigen Frau: Sieben Jahre lang Fernbeziehung – mehr Abenteuer hielt meine
Seele nicht aus.

"Weltbewahrung geht nicht ohne Weltveränderung, geht nicht ohne moralischen Kompass."

Heute ist es ein Leichtes, von außergewöhnlichen Zeiten zu sprechen: Es herrscht wieder Krieg in Europa. Die Klimakrise entpuppt sich als Klimakatastrophe. In den USA kommt mit Donald Trump ein Mann an die Macht, der mit seinen postdemokratischen Überzeugungen alles infrage stellt, was nach dem Zweiten Weltkrieg im transatlantischen Verhältnis zur gewachsenen Normalität wurde. In Europa driften ganze Staaten nach rechts, ganz zu schweigen vom ungebremsten Relevanzverlust der Kirchen und einem anhaltenden Exodus der Gläubigen.

 

Dieses Narrativ ist bekannt. Aber wenn ich meine Großeltern fragen könnte, so hätten sie vermutlich eine alternative Geschichte anzubieten: Ja, es herrscht Krieg, aber eine breite internationale Koalition ist sich zugleich einig in ihrer Abscheu gegen den Krieg, in ihrem Bekenntnis zum Völkerrecht und zu Menschenrechten. Im Blick auf Trump und den europäischen Rechtsruck würden sie – zeitlebens Sozialdemokraten – ihren unerschütterlichen Glauben an die Kraft rechtsstaatlicher Verfahren und verfassungsmäßig garantierter Rechte bekräftigen. Wir haben schon Schlimmeres überstanden. Manchmal scheint mir eine solche Blickumkehr hilfreich – nicht, um die Dramatik der Gegenwart zu relativieren, sondern um Kraftquellen der Hoffnung zu erschließen, die es braucht, um nicht zu verzweifeln. Weltbewahrung geht nicht ohne Weltveränderung, geht nicht ohne moralischen Kompass.

 

Zurück zu meinem Klassenkameraden: Er ist Lehrer geworden und hat eine Familie
gegründet. Wollte er nicht was außergewöhnlich „Cooles und Krasses“ machen? Ich würde sagen: Das hat er. Denn manchmal verbergen sich die außergewöhnlichen Dinge im ach so gewöhnlichen Alltag. Und manchmal erwächst ihnen die Kraft zu außergewöhnlichen Veränderungen.


miteinander-Chefredakteur Dr. Henning Klingen

miteinander-Chefredakteur Dr. Henning Klingen

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