Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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miteinander 1-2/2025
Dass aus Brot und Wein der Leib und das Blut Christi werden, obwohl sie sich äußerlich nicht verändern, forderte schon immer wahlweise Fantasie oder Glauben heraus. In der Geschichte wurde die Wandlung, wie sie in der katholischen Messfeier vollzogen wird, von so manchem Kritiker als billiger Trick abgetan. Darauf sei übrigens – so eine Theorie – der Zauberspruch „Hocus pocus fidibus“ zurückzuführen, eine Verballhornung der lateinischen Wandlungsworte „Hoc est enim corpus meum“. Wandlung meint mehr: Natürliche Elemente bekommen übernatürliche Bedeutung, Brot und Wein werden zum „Lebens-Mittel“ für das ewige Leben, so wie in der Taufe das Wasser in den Quell dieses Lebens verwandelt wird. Und letztlich geht es um die Wandlung des Menschen, der aus der Kirche anders hinausgeht, als er hineingegangen ist.
Magisches Missverständnis
Dabei ist die Wandlung bei Weitem nicht das Einzige, was die christliche Liturgie mit dem magisch-numinosen Bereich zu verbinden vermag. Magie und Liturgie haben gemein, dass sie aus Handlungen, Worten und Objekten bestehen, deren Kombination mit einer bestimmten Wirkung verbunden ist. Vom Kreuzzeichen und Übergießen mit Wasser bei der Taufe bis zur Salbung mit duftendem Öl zur Stärkung von Kranken: In beiden Bereichen kommt die Beziehung zu einer Transzendenz zum Ausdruck.
Doch auch wenn liturgische Rituale magisch anmuten, sind die Unterschiede doch wesentlich. Sakramente wirken nicht automatisch wie ein Zauberspruch und auch nicht am Empfänger vorbei oder gar gegen dessen Willen. Und schon gar nicht können sie zum Schaden eines Menschen eingesetzt werden, sondern dienen stets seinem Heil. Die Scheu vor einem magischen Missverständnis darf nicht dazu führen, dass alles Leibliche aus dem Gottesdienst verbannt wird. Das Anliegen, die Liturgie zu entzaubern, machte sie für manche Gläubige zur banalen Sonntagvormittagsveranstaltung, dem jeder Zauber fehlt.
Heiliges Spiel
Außergewöhnlich, wenn auch nicht so abenteuerlich, sind noch andere Aspekte des christlichen Gottesdienstes: Das fängt an bei der Kleidung, wenn zum Kirchgang das Sonntagsgewand aus dem Kasten geholt wird. Auch der Ort ist ein besonderer, denn man trifft sich sonst selten in jahrhundertealten Gemäuern. Ort und Zeit erhalten durch den Gottesdienst eine besondere Qualität. Der Alltagstrott wird bewusst unterbrochen, wenn sich Christen durch überlieferte Traditionen und im Gedenken mit früheren Generationen verbinden und dann und wann der prachtvolle Himmel zumindest für kleine Momente in diese Welt hereinbricht. Wie beim Spiel, so verfolgt der Gottesdienst keinen äußeren Zweck und wird so zum heiligen Spiel.
Obschon die Texte im Gottesdienst heute grundsätzlich von jedem verstanden werden können, sind sie nicht immer für jede verständlich. Liturgische Sprache unterscheidet sich bewusst von der Alltagssprache. Sie eckt an, verstört – und unterbricht so unsere alltägliche Kommunikation. Sie versucht, „mehr“ zu sagen, als Worte überhaupt mitzuteilen vermögen. Worte dienen nicht bloß der Information, sie schaffen, ob gesungen oder gesprochen, Wirklichkeit. Im Gewöhnlichen begegnet das Außergewöhnliche.
Dr. Daniel Seper
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Pius-Parsch-Institut Klosterneuburg und Redaktionsmitglied des miteinander-Magazins.