Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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Als ich vor 22 Jahren nach Österreich kam, war das für mich ein Sprung ins Ungewisse.Gewiss war, dass mich dort meine Freundin erwartete. Nach sieben Jahren Fernbeziehung und der ständigen bangen, ja, ungewissen Frage, ob das alles überhaupt Zukunft hat, ein Moment vollkommenen Glücks, der bis heute so anhält. Doch beruflich war alles neu, alles anders, alles ungewiss. Die Sicherheit gebenden Freundeskreise, die Heimat: plötzlich 1.000 Kilometer weit weg.
So fordernd biografische Ungewissheiten sein mögen – sie stellen zugleich Lappalien gegenüber den Ungewissheiten dar, die allüberall aufbrechen: gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich, ökologisch. Längst mhaben im Kielwasser des politischen Rechtsrucks soziale Verteilungskämpfe begonnen, in denen Schwächere und Menschen am Rand das Nachsehen haben. Der ,mKrieg rückt uns buchstäblich zu Leibe und auch ökologisch ist Österreich keine „Insel der Seligen“ mehr. Mit einem Wort: Die ,mLage ist volatil.
"In der Ungewissheit dürfen wir
uns seiner Nähe gewiss sein"
Bietet in dieser Situation Religion Abhilfe? Stabilität? Gewissheit? – Nein. Denn längst hat auch hierzulande die religiöse Gletscherschmelze eingesetzt. Zudem taugt der biblische Glaube nicht zum ,Antidot gegen Ungewissheit. Denn unser Gott ist ein Gott der anhaltenden Wüstenwanderung, unsere Existenz eine Exodus- Existenz, getragen einzig von der Zusage, dass er sich dereinst als er selbst erweisen werde. Selbst das urchistliche Jesus-Bekenntnis ist ein auf Ungewissheit und glühende Hoffnung gestimmtes Bekenntnis: „Komm, oh Herr Jesus!“ Gewissheit sieht anders aus. Aber immerhin: In dieser Ungewissheit dürfen wir uns seiner Nähe
gewiss sein. Das klingt nach nicht viel – und ist doch so viel mehr, als ein Leben in Hoffnungslosigkeit!
Szenenwechsel: Tochter Nr. 1 möchte zum Feuerwehrfest. Tochter Nr. 2 nicht. Tochter Nr. 3 möchte mit Papa und Schleich- Pferden durch die Wohnung galoppieren. Sohn hat Fußballtraining. Währenddessen ändern sich die Pläne von Tochter Nr. 1: Übernachtungsparty steht an. Fußballtraining ist abgesagt. Einem Schleich-Pferd ist mein Bein abgebrochen. Geschrei. Familie – mOrt der Einübung des Umgangs mit Ungewissheit. So viel ist jedenfalls fix: nix. Außer der wohligen Gewissheit, damals, mvor 22 Jahren, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
miteinander-Chefredakteur Dr. Henning Klingen