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Aus dem neuen »miteinander«

Ohne Institution geht es nicht

Serie "Spannungsfeld Berufung"

Kirche war von Anfang an immer auch „Institution“. Das muss kein Nachteil sein, schließlich bieten Institutionen nicht zuletzt Schutz vor Willkür und autoritärem Gehabe – auch in religiösen Fragen. Von P. Klaus MERTES

 miteinander 9-10/2025

miteinander-Magazin 9-10/25

Wir sprechen oft in einer eher distanzierenden Absicht von „Kirche als Institution“ – und meinen das dann im Unterschied zu „Kirche als Gemeinschaft“ oder „Kirche als Volk Gottes“. Mir scheint diese Unterscheidung dem Phänomen Kirche nicht gerecht zu werden. Wenn ich die Apostelgeschichte richtig lese, dann erzählt sie vielmehr, wie aus der Spannung von individueller Berufung und Tradition die Kirche überhaupt erst entsteht, und zwar dadurch, dass das Element „Institution“ von Anfang an dabei mitwirkt.

Ich unterscheide zwischen „Institution“ und „Organisation“. Der Soziologe Heinz Bude schreibt: „Organisationen werden verändert und können im Prinzip abgeschafft werden, Institutionen wandeln sich und kehren immer wieder.“ Beispiel Familie: Organisationensformen von Familie können sich verändern – Clan, Kleinfamilie, monogam, polygam –, aber als gesellschaftliche Institution kehren sie immer wieder. Beispiel Schule: Deren Organisationsformen können sich verändern, aber Lehrer-Schüler-Verhältnisse und Schulen wird es auf die eine oder andere Weise immer geben.

 

Das gilt auch für Religionen, in besonderem Maße für die christliche Religion: Ordinariate werden kommen und gehen, aber die Kirche als Institution wird bleiben. Sie ist notwendig, um Verfahren für Konflikte bereitzstellen. Sie ist notwendig für den Schutz vor dem Autoritarismus der Charismatiker; denn die neigen dazu, aus sich selbst und aus ihrer individuellen Berufung heraus, ohne Dialog mit den anderen, Gefolgschaft zu fordern. Institution ist notwendig für die Entwicklung von theologischen Kriterien, durch die sich eine kanonische Tradition bilden kann. Die „Heilige Schrift“ ist nicht zuletzt Ergebnis eines Prozesses der Unterscheidung und Entscheidung. Ohne Kirche als Institution gäbe es keine Heilige Schrift. Sie hätte sich auch nicht durch 20 Jahrhunderte gehalten.

 

Individuelle Berufung

Auch die großen Ordensgründer, allesamt große Charismatiker, mussten ihr Verhältnis zur Institution klären, um nicht „vergeblich“ zu laufen. Bei Ignatius beginnt der Weg mit individuellen mystischen Einsichten sowie dem Wunsch, so wie Franziskus und Dominikus zu leben, genauer: so zu leben, wie er sich vorstellte, dass Franziskus und Dominikus lebten. Er scheiterte mit diesem Vorhaben an der kirchlichen Autorität. Sie warf ihn aus Jerusalem hinaus und steckte ihn in Alcalá ins Inquisitionsgefängnis.

In diese Zeit fällt seine Erkenntnis, dass er studieren muss. Er würde „vergeblich laufen“ und „den Seelen“ gerade nicht „helfen“ können, wenn er sich bloß auf seine individuelle Berufung beziehen würde, den „Seelen zu helfen“. Er musste seine persönliche Berufung anschlussfähig machen an die Philosophie – das bedeutet nicht zuletzt: an den Dialog – und an die gesamtkirchliche Tradition. Auch Franziskus und Dominikus mussten solche Wege gehen. Die neuen Erkenntnisse auf dem Weg, den sie für die Institution öffneten, waren eben gerade nicht ein Verrat am ursprünglichen Charisma, sondern dienten der Lebendigkeit über den Tod der Gründer hinaus.

 

Persönliches Charisma

Ich erlebe das heute noch: In Berlin bin ich zuständig für eine Wohngemeinschaft, in der Schutz suchende Menschen gastfreundlich aufgenommen werden. Sie wurde von einem Mitbruder gegründet, der innerhalb des Ordens sehr ausgeprägt ein persönliches Charisma lebte und leben durfte. Die Wohngemeinschaft trug viele geistliche Früchte, nicht zuletzt die Bewegung der „Exerzitien auf der Straße“. Der Gründer weigerte sich immer, die Wohngemeinschaft als „Institution“ zu bezeichnen. Er verstand sich als Bruder aller, die mit ihm zusammen wohnten und die Wohngemeinschaft bildeten.

 

Vor drei Jahren starb er nach langer und schwerer Parkinson-Erkrankung und rückblickend stellte sich heraus: Er wollte nie eine Institution gründen, hat aber eine gegründet – und der Orden als Institution übernimmt nun die Verantwortung dafür. Er ist eben nie nur seiner individuellen Berufung gefolgt. Und zweitens: Er wollte Bruder unter Brüdern sein, aber er war ein Patriarch, die unhinterfragte Autorität. Auch die lässt sich nachträglich nur dadurch ersetzen, dass in der Gemeinschaft Leitungsstrukturen eingerichtet werden. Auch das macht jetzt der Orden. Ohne Institution geht es eben nicht.

 

Im abschließenden Teil erfahren Sie, wie die Kirche mit institutionellem Versagen umgehen muss und welche Herausforderungen sich für sie als globale Institution stellen.


 

miteinander-Magazin 9-10/25

P. Klaus Mertes SJ
ist Philosoph, Theologe und Superior der Jesuitenkommunität in Berlin-Charlottenburg sowie Redaktionsmitglied der Kulturzeitschrift Stimmen der Zeit.

 

Quellenverweis
Vortrag vom 8. 2. 2025: „Spannung zwischen individueller Berufung und kirchlich institutionellen Strukturen“, Stuttgart, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart

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