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Aus dem neuen »miteinander«

Rituale brauchen Erfahrungsräume

Interview mit Theologin Elisabeth Höftberger

Traditionen und Rituale bringen den Menschen aus dem Alltag heraus. Das kann Gemeinschaft stiften, aber es besteht auch die Gefahr der Instrumentalisierung, weiß die Theologin Elisabeth Höftberger. Das Interview führte Henning KLINGEN

miteinander 11-12/2023

miteinander-Magazin 11-12/23

Frau Höftberger, Weihnachten hält nicht nur familiär bewährte Traditionen und Rituale bereit, sondern oft auch Konflikte. Warum ist das so?

Traditionen und Rituale sind nicht nur Kopfsache. Für viele sind sie eine Herzensangelegenheit – ohne fühlt sich Weihnachten ungewöhnlich und vielleicht nicht richtig an. Ist etwas an diesem Körpergefühl nicht stimmig, können Dissonanzen entstehen. Wo Traditionen etwa andere abwerten, wo sie die Erfahrungen der einzelnen Personen nicht wertschätzen, einengen, negative Erinnerungen auslösen und Druck ausüben, können sie auch verletzen. Innerhalb von Familien oder Gemeinschaften treffen solche Gefühle aufeinander. Das ist ganz normal und ein wichtiger Prozess: Durch die Begegnung mit Ungewohntem schärft sich der Blick auf das Althergebrachte.

 

Eine Ihrer Thesen lautet, dass Traditionen stets auch politisch sind. Was meinen Sie damit?

Traditionen sind politisch, weil wir damit einen bestimmten Zweck verfolgen: Wir wollen uns mit einer Gemeinschaft identifizieren, eine kulturelle oder religiöse Zugehörigkeit ausdrücken, gemeinsame Identitäten pflegen oder uns davon abgrenzen. Problematisch wird es dort, wo traditionelle Bräuche und Rituale instrumentalisiert werden, um ideologische Programme zu transportieren. Christliche Bräuche werden beispielsweise immer wieder von rechtsextrem ausgerichteten Gruppen in ihrer Propaganda verwendet, um andere auszugrenzen.

 

Welche Quellen brauchen Traditionen, um auch in post-religiösen Gesellschaften zu „funktionieren“?

Eine Vorstellung von Traditionen und Ritualen, insbesondere religiösen, ist: Sie sind starr, normiert und institutionell fixiert. Tatsächlich jedoch sind Traditionen sehr beweglich – und sie brauchen Erfahrungsräume. Religiöse Traditionen waren für viele früher durch die familiäre und gesellschaftliche Sozialisation eine Art „bewohntes Gedächtnis“ (Aleida Assmann), weil Rituale und Bräuche selbstverständlich durchgeführt wurden. In einer Gesellschaft, wo diese Selbstverständlichkeit fehlt, braucht es die verschiedenen Quellen (religiöser) Traditionen, damit diese weiterhin verständlich und erfahrbar bleiben: z. B. persönliche Erfahrungen und Begegnungen, überlieferte Geschichten, Musik, Texte, Gerüche, Rituale und Handlungen.

 

Bieten Traditionen auch Chancen, um religiöse Inhalte neu ins Bewusstsein zu bringen?

Das kommt darauf an, was persönlich oder gesellschaftlich mit einer Tradition verbunden wird: Traditionen können ein Hemmnis sein und die neue Auseinandersetzung mit religiösen Inhalten blockieren, weil man sich vom Alten oder problematischen Inhalten distanzieren möchte. Andererseits sehen wir gerade an Weihnachten, dass durch Bräuche und Rituale eine besondere Atmosphäre für die Menschen spürbar wird. Warum gehen viele am Heiligen Abend in die Kirche, warum werden religiöse Lieder gesungen? Immer wieder wird ein sogenanntes „Gewohnheitschristentum“ als oberflächlich abgetan. Darin zeigt sich aber genauso die Suche nach einem besonderen Erfahrungsraum. Mit dem Soziologen Hans Joas gesprochen könnte man das die Suche nach dem „Heiligen“ nennen: nach etwas, das aus dem Alltag herausgehoben ist, verbunden mit einem großen Ganzen.

 


miteinander-Magazin 11-12/23

Dr. Elisabeth Höftberger

ist Postdoc im Forschungsprojekt “European Graduate School (Salzburg | Erfurt | Leuven): Theology in religious, cultural, and political Processes of Transformation” am Fachbereich Systematische Theologie der Universität Salzburg.

 

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