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Aus dem neuen »miteinander«

Technik ist niemals neutral

Essay von Alexander Filipović

Unsere Welt ist nicht ohne Technik denkbar. Entscheidend ist daher die Frage, wie wir sie so einsetzen können, dass sie dem guten und gerechten Leben dient. Von Alexander FILIPOVIĆ

 

miteinander 3-4/2023

Technik ist niemals neutral

Menschliche Entwicklung lässt sich nicht ohne Technik erklären. Lebewesen verändern ihre Umwelt, um sich anzupassen, besonders Menschen erfinden dafür mehr oder weniger komplizierte Artefakte wie Jagdgeräte, Kochtöpfe, Öfen etc. In immer komplexeren Umwelten und sozialen Situationen dienen Techniken der Organisation von Interaktionen, sie ermöglichen Kommunikation über die Distanz oder die Teilnahme an demokratischen Wahlen. Die digitalen Technologien, also Computer, Algorithmen, Datenauswertung und Techniken der Künstlichen Intelligenz, sind nur ein Zwischenstand einer Technikentwicklung, die immer den Menschen begleitet, wenn auch mit einer immer größeren Dynamik.


Insofern ist nicht die Frage relevant, ob Technik uns rettet oder in den Abgrund treibt. Diese Frage ist nicht beantwortbar, weil wir sowieso nicht ohne Technik leben können. Eher isollten wir uns die Frage stellen, wie die Menschheit mit den Tieren und eingebettet in ein weltumspannendes ökologisches und geologische System in Zukunft gut und gerecht leben kann. Bestimmte Techniken werden dafür
hilfreich sein, andere nicht. Das aber herauszufinden, wird – wie in den vergangenen im Prinzip auch – dauernde Aufgabe der Menschheit sein. Dabei geht es um Macht, Gestaltungsmöglichkeiten und Gerechtigkeit.

 

Technik und Herrschaft

Romano Guardini, einer der großen katholischen Theologen und Religionsphilosophen des 20. Jahrhunderts, hat 1950 in seinem Buch „Das Ende der Neuzeit“ die Bedeutung der Technik für die Zukunft der Menschheit hervorgehoben. Er stand sicher noch unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs, in dem Technik zum zweiten Mal nach dem Ersten Weltkrieg ihre verheerende Wirkung entfaltet hatte. Aber auch die Heilsversprechen von Technik werden Mitte des 20. Jahrhunderts immer deutlicher. Er formuliert: „Die neue Zeit liebte es, die Maßnahmen der Technik mit ihrem Nutzen für die Wohlfahrt des Menschen zu begründen. […] Die kommende Zeit wird, glaube ich, anders reden. Der Mensch, der sie trägt, weiß, dass es in der Technik letztlich weder um Nutzen noch um Wohlfahrt geht, sondern um Herrschaft; um eine Herrschaft im äußersten Sinne des Wortes, sich ausdrückend in einer neuen Weltgestalt.“ (R. Guardini. 1986. Das Ende der Neuzeit. Mainz 1986, S. 50f.)

 

Dieser Zusammenhang von Technik und Macht spielt auch bei Papst Franziskus eine Rolle. Als Guardini-Fan kennt Franziskus seine Technikkritik und verarbeitet sie in „Laudato si‘“. Dort benennt Papst Franziskus die Kritik an den Formen der Macht, „die aus der Technik abgeleitet sind“ (Nr. 16), als ein Zentralthema, welches die ganze Enzyklika durchzieht. In den Nummern 101 bis 114 seiner Enzyklika wird er konkret: Zunächst betont er den Wert des technischen Fortschritts (102f.), geht dann aber in Nr. 104 auf die „gewaltige Macht“ ein, die uns etwa auch die Informatik verleiht. Sogleich konzentriert sich Franziskus dann auf sein Zentralthema, die
Formen der Macht: „Besser gesagt, sie geben denen, welche die Kenntnis und vor allem die wirtschaftliche Macht besitzen, sie einzusetzen, eine beeindruckende Gewalt über die gesamte Menschheit und die ganze Welt.“ Die Macht, die uns also etwa die Informatik verleiht, ist ungleich verteilt.

 

Keine Kontrollmöglichkeit

In Abschnitt 105 nimmt Franziskus von Guardini vor allem die These auf, dass der anwachsenden technischen Macht des Menschen keine kontrollierenden Möglichkeiten zur Seite stehen: „In diesem Sinne ist er seiner eigenen Macht, die weiter wächst, ungeschützt ausgesetzt, ohne die Mittel zu haben, sie zu kontrollieren. Er mag über oberflächliche Mechanismen verfügen, doch wir können feststellen, dass er heute keine solide Ethik, keine Kultur und Spiritualität besitzt, die ihm wirklich Grenzen setzen und ihn in einer klaren Selbstbeschränkung zügeln.“

 

Im Folgenden führt Franziskus seine Analyse weiter und vertieft sie. Dabei begreift er die ökologische Krise als Element einer allgemeinen Durchsetzung des technischen Paradigmas: „Man muss anerkennen, dass die von der Technik erzeugten Produkte nicht neutral sind, denn sie schaffen ein Netz, das schließlich die Lebensstile konditioniert, und lenken die sozialen Möglichkeiten in die Richtung der Interessen bestimmter Machtgruppen. Gewisse Entscheidungen, die rein sachbezogen erscheinen, sind in Wirklichkeit Entscheidungen im Hinblick auf die Fortentwicklung des sozialen Lebens.“ (107)

 

Technik ist niemals neutral. Diese Überzeugung von Franziskus ist ein zentraler Aspekt jeder Technikphilosophie. Die von uns geschaffenen Techniken, sind sie einmal Teil dieser Welt, schreiben immer auch an der Geschichte der Welt und der Menschheit mit. Sie spielen immer eine Rolle, determinieren aber nicht jegliches menschliche Handeln. In den Händen von Mächtigen allerdings verschärft sich das Problem. In den Augen von Superreichen, die mit ihrer Erfindungsgabe im Bereich digitaler Technologien und Produkte Großes geleistet haben, stellen sich die Probleme der Welt als technisch zu lösende Probleme dar. Auch in der Politik sind manchmal solche Perspektiven anzutreffen. Die Sorge ist, dass wir Probleme nicht richtig sehen und falsche Lösungen finden, wenn wir sie nur als technisch zu lösende Probleme begreifen. Soziale Liebe (Solidarität) kann beispielsweise ein Teil der Lösung eines gesellschaftlichen Problems sein. Und die ökologische Krise wird nicht gelöst werden können, wenn wir nicht auch die spirituellen Dimensionen dieses Problems erkennen.

"Technik ist niemals neutral. Diese Überzeugung von Franziskus ist ein zentraler Aspekt jeder Technikphilosophie. Die von uns geschaffenen Techniken, sind sie einmal Teil dieser Welt, schreiben immer auch an der Geschichte der Welt und der Menschheit mit."

Wachsamkeit bewahren

Wie können wir sicherstellen, dass Technik nicht zu einem Herrschaftsinstrument weniger wird oder Technik sich als Herrschaftsideologie verselbstständigt? Wachsame Politik für freiheitliche und gerechte Verhältnisse und Befähigung möglichst vieler, mit Technik in eigenem Sinne kreativ umzugehen – das scheint mir zentral zu sein. Besonderes Augenmerk verdienen dabei jene, die hilflos sind, die der Macht und Prägekraft der Technik nicht die eigene Autonomie und Kreativität entgegensetzen können.

 


Antrittsvorlesung von Prof. Alexander Filipovic am 19. J?nner 2023 an der Universit?t Wien - v.l.: Prof. Andrea Lehner-Hartmann (Dekanin), Prof. Alexander Filipovic (Sozialethik), Prof. Christa Schnabl (Vizerektorin)

Dr. Alexander Filipović

ist Professor für Sozialethik mit einem Schwerpunkt u.a. auf Medienethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

 

 

 

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