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Aus dem neuen »miteinander«

Wider die Versuchung der kleinen Herde

Johann Pock über Selbstreflexion der katholischen Kirche

Rund 90.000 Menschen haben in Österreich im vergangenen Jahr der katholischen Kirche den Rücken gekehrt. Die Zeit ist reif für Selbstreflexion und Umkehr. Von Johann POCK

miteinander 5-6/2023

miteinander-Magazin 5-6/23

Die Kirchen in unserem Land verändern sich. Das macht Angst und irritiert: Sie werden kleiner – durch Austritte, durch demografische Veränderungen, durch den Verlust an gesellschaftlicher Bedeutung. Seit vielen Jahren erleben wir alljährlich dieselbe Situation, wenn die Kirchenstatistiken veröffentlicht werden: große Betroffenheit über die Zahl der Kirchenaustritte; der Ruf nach dem Ende des Kirchenbeitrags; die Suche nach den Ursachen innerhalb und außerhalb der Kirchen. Es ist müßig, hier auf die stete Entwicklung seit vielen Jahrzehnten zu verweisen. Und auch ein Alarmismus bringt hier niemandem etwas. Für mich sind folgende Punkte in dieser Diskussion zentral:

 

1. Die Frage des christlichen Auftrags

Was ist der Selbstanspruch der Kirche? Es geht darum, den christlichen Glauben zu bezeugen und zu verkünden. Es geht um eine Mitarbeit daran, dass Menschen „das Leben in Fülle“ (Joh 10,10) erlangen – und zwar nicht erst im Jenseits, sondern schon in diesem Leben. Daher gehört zum Christsein auch das aktive Mitgestalten von Gesellschaft und Politik. Papst Franziskus hebt dies hervor, wenn er vom „Geht hinaus“ spricht: Er möchte eine Kirche, die sich nicht zurückzieht hinter Kirchenmauern, sondern die sich als Teil dieser Welt versteht, als Teil dieser Schöpfung. Für mich stellt in diesem Zusammenhang das Wort der französischen Bischöfe eine sehr gute Zusammenfassung des Auftrags dar: Die Kirche soll „den Glauben anbieten in dieser Welt“. Es ist ein Handeln auf Augenhöhe und mit Demut, nicht aus einer Machtposition heraus.

 

2. Die Versuchung der „kleinen Herde“

Häufig kommt angesichts der abnehmenden Zahl an Gläubigen der Ruf nach der „kleinen Herde“ auf: Es ist die Versuchung, sich in eine Gruppe möglichst Gleichgesinnter zurückzuziehen. Dabei wird ein wenig romantisierend angenommen, dass in solchen Kleingruppen der christliche Glaube authentischer und lebendiger gelebt werden könnte. Diese Haltung übersieht, dass das Christentum von Anfang an nicht auf Rückzug angelegt war. Die Rede vom „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ spricht eine ebenso deutliche Sprache wie das Pfingstereignis, bei dem der Geist bewirkt, dass die zurückgezogenen Jünger Mut fassen und sich in die Öffentlichkeit trauen. Und der Geist legt sich nicht nur auf jene „drinnen“, sondern auch auf viele „draußen“.

 

3. Die Notwendigkeit der Selbstreflexion und der Umkehr

Bei allem Blick auf den eigenen Auftrag braucht es aber auch ehrliche Selbstreflexion. Die Austrittszahlen sind immer wieder ein Anstoß zu überlegen, wo der Eigenanteil an der kirchlichen Entwicklung liegt. Allzu leicht kann hier auf gesellschaftliche Entwicklungen verwiesen werden und darauf, dass auch andere Institutionen und Vereine mit einem Glaubwürdigkeits- und vor allem einem Nachwuchsproblem zu kämpfen haben. Vielmehr hat die katholische Kirche in den letzten Jahrzehnten eine Fülle von hausgemachten Skandalen und
Negativschlagzeilen produziert, nicht zuletzt durch das Offenbarwerden von Missbrauchsfällen, mit denen man über Jahrzehnte falsch umgegangen ist und sie vertuscht hat. Eine Hauptaufgabe ist es, wieder zu einer glaubwürdigen Kirche zu werden. Zu dieser Glaubwürdigkeit gehört aktuell auch, wie man innerhalb der Kirche die Frage beantwortet, welche Kompetenzen man Frauen zutraut und auch zugesteht. Wie die aktuellen synodalen Prozesse in vielen Kontinenten zeigen, wird diese Frage mittlerweile weltweit als eine der zentralen Herausforderungen für die katholische Kirche angesehen. Alte Begründungsmuster greifen hier nicht mehr – und immer mehr Frauen lassen sich nicht mehr abspeisen mit Verweisen auf das demütige Vorbild Marias.


Machtverlust oder Chance?
Die Menschen sind heute immer weniger bereit, Autoritäten unhinterfragt zu glauben.
Sie haben die große Freiheit der eigenständigen Wahl ihrer Lebensentwürfe und auch ihrer Glaubensbiografie. Damit befindet sich die katholische Kirche auf einem Markt von spirituellen Angeboten. Dies kann man als Machtverlust bedauern – oder man nützt es als Chance, zu überlegen, wozu es die Kirche heute braucht und was sie den Menschen für ein gelingendes Leben anbieten kann. Denn wie das II. Vatikanum festgestellt hat: Es geht darum, am Wachsen des Reiches Gottes mitzuarbeiten – die Kirche selbst ist dazu „Zeichen und Werkzeug“, aber nicht das Heil selbst. Die Menschen aber wählen selbst, ob sie das angebotene Werkzeug
für hilfreich einschätzen.


 

Photo by: Joseph Krpelan (www.derknopfdruecker.com)

Dr. Johann Pock

ist Professor für Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

 

 

 

 

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