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Aus dem neuen »miteinander«

Wie ich lernte, auf den Wellen zu reiten

Abschied und Neustart: Ein Erfahrungsbericht

Angehörige von Schwerkranken sind intensiv von deren Schicksalen betroffen. Unausweichlich kommt es zur Auseinandersetzung mit den Themen Krankheit, Betreuung bis hin zum Tod. Ein Erfahrungsbericht zum eigenen Neubeginn, um selbst wieder zurück in ein gutes Leben zu finden. Von Brigitte KRAUTGARTNER

miteinander 1-2/2023

Ocean wave

Es ist, als würde sich plötzlich eine dunkle Wolkenfront vor einen eben noch ganz normalen blauen Himmel schieben: die Nachricht, dass eine unheilbare, eine tödliche Krankheit festgestellt wurde. Was dann darauf folgt, ist – um bei der Metapher zu bleiben - ein Sturm. Ein Sturm, dessen Intensität und Verlauf sich im Vorfeld nicht abschätzen lassen. Im Bereich der Sterbe- und Trauerbegleitung gibt es ein Motto, das ich für sehr treffend halte: Du kannst den Seesturm nicht aufhalten – aber du kannst lernen, auf den Wellen zu reiten.

 

Das ist genau die Erfahrung, die ich gemacht habe, als vor etwas mehr als fünf Jahren meine Welt komplett aus den Fugen geraten ist. Mein Partner war eigentlich immer gesund und vital (seine Blutwerte um einiges besser als die meinen), sportlich – und in der Regel wurde er zehn Jahre jünger eingeschätzt, als er war. Er war Anfang 60 – und er war in seinem Leben noch nie zu einer Vorsorgeuntersuchung zum Urologen gegangen. Wozu denn auch, wenn man sich gut fühlt? Als sich dann irgendwann doch erste Allerweltssymptome einschlichen, machte er sich nach langem Zögern doch auf den Weg zum Arzt – und erhielt nach einigen Untersuchungen
knapp drei Wochen darauf die schockierende Diagnose: Prostatakrebs in einem weit fortgeschrittenen Stadium. Heilung unmöglich.

Über den weiteren Krankheitsverlauf bekamen wir keine Informationen. Wie denn auch? Die Krankheit entwickelt sich von Fall zu Fall so unterschiedlich, dass sich beim besten Willen nicht vorhersagen lässt, was sie für diesen konkreten Menschen bewirken wird. Wie lang sie dauern wird, welche Organe die Metastasen befallen werden, wie gut die lindernden Medikamente anschlagen werden – nichts ließ sich vorhersehen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon meine Erfahrungen mit krebskranken lieben Menschen.

Meine Mutter war an Magenkrebs gestorben, als ich noch keine 18 war. Ich lebte damals am Land, Mitte der 1980er-Jahre. So etwas wie Begleitung gab es damals für mich nicht. Ich musste die Dinge im Wesentlichen mit mir selber ausmachen, weil meine Familie natürlich völlig überfordert war und unterstützende Einrichtungen wie etwa die Krebshilfe mir damals nicht zur Verfügung standen.

"Ich erfuhr, wie wichtig es gerade in diesen Situationen ist, Freudvolles zu erleben und das bewusst in den Tages- und Wochenablauf einzubauen."

Hilfe suchen

Diese traumatisierende Erfahrung durfte sich nicht wiederholen, das schwor ich mir, sobald ich wieder in der Lage war, halbwegs klar zu denken. Mit anderen Worten: Ich musste lernen, auf den Wellen zu reiten. Dieses Projekt nahm ich auch sofort in Angriff, ich bin nämlich eine, der es guttut, aktiv zu sein, gestalten zu können – dann fühle ich mich weniger ausgeliefert.
Ich durchforstete das Internet nach Informationen und Hilfsangeboten, ich kontaktierte die Krebshilfe und später das mobile Hospizteam der Caritas. An beiden Stellen fand ich Unterstützung für mich selber und auch für meinen Partner (der freilich am Anfang recht skeptisch war, was das alles sollte – er habe ja seine Ärzte). Als Angehörige eines Kranken bekam ich psychologische Begleitung in der Krebshilfe, alle zwei Wochen, im Krisenfall auch häufiger. Ich lernte dort, mit meinen Ängsten besser numzugehen, sie nicht ständig das Geschehen bestimmen zu lassen. Ich erfuhr, wie wichtig es gerade in diesen Situationen ist, Freudvolles zu erleben und das bewusst in den Tages- und Wochenablauf einzubauen. Die Leute von der Caritas halfen mir in so vielen Notsituationen. Hörten zunächst einmal geduldig und freundlich zu, fragten nach, waren geduldig und einfühlsam. Ich war beeindruckt von ihrer Kompetenz, wie viel Wissen da vorhanden war, wie viele Informationen zu den scheinbar unmöglichsten und seltsamsten Fragen sie mir geben konnten. Egal, ob es um medizinische Themen ging, um rechtliche (Stichwort Patientenverfügung), nob ich praktische Tipps brauchte oder einfach jemanden zum Reden – immer fühlte ich mich angenommen und gut aufgehoben.

 

Dankbarkeit

Eineinhalb Jahre hat es gedauert von der Diagnose bis zum Sterben. Danach noch einige Zeit, um mit der neuen Situation halbwegs zurechtzukommen. Es gab sehr dunkle, schwarze Tage. Aber darauf möchte ich njetzt nicht den Akzent setzen. Ich möchte darüber schreiben, was gelungen ist: Durch die kompetente und einfühlsame Begleitung konnte ich Schritt für Schritt Abschied von meinem Partner nehmen. Die neue Situation quasi in kleinen Portionen annehmen. Dass kein gemeinsames Reisen mehr möglich ist, dass ich immer mehr auf seine Unterstützung im Alltag verzichten musste und es galt, mir selbstständig Helfer zu suchen, dass sich unsere Lebenswege immer mehr nvoneinander entfernten. Und dass es trotz all der Liebe keine Alternative dazu gab. In diesem langen Prozess des Annehmen-Lernens wurde ich wunderbar begleitet. Der endgültige Abschied war dann gut vorbereitet und ich konnte viel besser weitermachen, als ich befürchtet hatte. Heute ist da nicht zuletzt ein Gefühl tiefer Dankbarkeit all denen gegenüber, die mir auf meinem Weg geholfen haben. Ich kann jetzt Wellenreiten. Ich habe gelernt, mit dem Sturm umzugehen.


Brigitte Krautgartner

Brigitte Krautgartner

ist Journalistin, Redakteurin der ORF-Radioabteilung Religion und Buchautorin.

 

Buchtipp:

Brigitte Krautgartner

Brigitte Krautgartner: Hinter den Wolken ist es hell. Von Krankheit und Abschied und dem
Glück des Neubeginns. Tyrolia: 2021, ISBN: 978-3-7022-3967-1, € 19,95.

 

 

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