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Aus dem neuen »miteinander«

Wir brauchen einen Systemwechsel

Interview mit Sr. Martha Zechmeister

Kirchenaustritte, Priestermangel und Missbrauchsskandale – es sind Krisen, die die Kirche derzeit erschüttern. Martha Zechmeister gibt dennoch die Hoffnung auf eine Veränderung der Kirche, die sie Jesus ähnlicher macht, nicht auf. Das Interview führte Christopher ERBEN

miteinander 3-4/2024

miteinander-Magazin 3-4/24

Jesus ist ein herausforderndes Vorbild. Wie können wir ihm nachfolgen?
Jesus Christus ist der letzte Bezugspunkt für die Kirche und das Handeln jedes Christen und jeder Christin, er ist das entscheidende Role Model. Er war provokant und löste Konflikte aus, indem er sich mit den Outcasts und Underdogs seiner Gesellschaft solidarisierte – und das ohne Wenn und Aber. Dadurch machte er sich zum Feind der Mächtigen.

 

Die Klimaerwärmung schreitet voran. Was ist Ihrer Meinung nach notwendig?
Es braucht einen radikalen Systemwandel, eine Zivilisation der Armut; eine Welt, die sich an der Befriedigung der Bedürfnisse aller orientiert. Kapitalismus raubt nicht nur die Lebensgrundlagen eines Teils der Menschheit, sondern die aller. Erde, Boden und Wasser sind nicht käuflich, sondern gehören allen. Als Ordenschristen müssen wir die Stimme erheben und dürfen nicht zurückschrecken. In Protesten wie Black Life Matters in den USA steckt eine Menge, wovon wir uns inspirieren lassen sollten. Auch den Forderungen der „Letzten Generation“ kann ich vieles abgewinnen. Sie machen auf Probleme aufmerksam, die uns alle betreffen. Die neuen Protestformen sind nicht kontrollierbar, sie poppen auf wie Pilze nach dem warmen Regen. Ich hoffe, dass wir als Ordensleute nicht unter uns bleiben, sondern uns daran auch beteiligen – und uns fragen, was wir tun können. Statt zu resignieren, sollten wir dort sein, wo das Leben bedroht, betrauert und gefeiert wird.

 

Welche Rolle spielt darin die Schöpfungsverantwortung?
Eine Umkehr ist mehr als notwendig, weil die Erde als bewohnbarer Raum in Gefahr ist. „Laudate Deum“ erinnert uns eindrucksvoll daran. Trotzdem spielen wir weiter wie die Bordkapelle der Titanic, obwohl wir uns mitten in der Klima-Katastrophe befinden. Wir müssen daher handeln.

 

Was kann die Kirche von den Ordensgemeinschaften lernen?

Die ersten Ordenschristen hielten gegen eine Kirche, die gemeinsame Sache mit dem Imperium machte, am jesuanischen Ursprung fest. Für mich sind die großen Ordensgründungen wie ein Trick des Heiligen Geistes, um die Kirche immer wieder an ihren „kanonischen“, verpflichtenden Ursprung zu erinnern. Ich habe meine Zweifel, ob wir als Ordenschristen derzeit diese Funktion wahrnehmen oder ob wir nicht viel zu zahm geworden sind. Wie Jesus zu handeln, ist nur möglich, wenn wir offen und empathisch für die Menschen in Not hier und heute sind.

 

Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Synodalen Prozess?
Ich bin Papst Franziskus sehr dankbar, diesen angestoßen zu haben, und hoffe sehr, dass er etwas bewegt; dass er uns die Weise Jesu, Gemeinschaft zu bilden, näherbringt: einfach, geschwisterlich, voller menschlicher Wärme.

 

In den vergangenen Jahrzehnenten erschütterten Missbrauchsfälle die katholische Kirche. Wie blicken Sie auf diese Krise?
Es handelt sich nicht um „Einzelfälle“. Ich sehe sie als Konsequenzen eines hierarchischen Systems, in dem die, die „unten“ sind, sich machtlos und ausgeliefert fühlen. Dieses System hat sich überlebt. Jesuanische Autorität ist etwas wesentlich anderes als religiöse Macht und Würde. Jesuanische Autorität demütigt niemals, sondern ermutigt und richtet auf.

 

Wagen Sie einen Blick in die Zukunft der Kirche. Was sehen Sie da?
Das weiß ich nicht. Sie kann in Europa in wenigen Jahren von der Bildfläche verschwunden sein. Doch ich vertraue darauf, dass es immer Menschen geben wird, die von Jesus fasziniert sind und von seinem Geist bewegt werden. Der Hl. Geist stiftet Kommunikation und hat zugleich etwas Anarchisches. Mir gefällt die Metapher vom Myzel. Christen bilden ein Netzwerk; sind wie die Pilze über die Wurzeln verbunden und stärken sich gegenseitig. Wir brauchen einen „Systemwechsel“ in der Kirche, um ihr ihr jesuanisches Antlitz zurückzugeben. Solange die Kirche nicht ihre aus einer feudalen Gesellschaft und dem politischen Absolutismus kommende soziale Gestalt ablegt, wird sich nichts zum Besseren verändern.

 


miteinander-Magazin 3-4/24

Martha Zechmeister-Machhart CJ

kommt aus Kotting in Niederösterreich. Nach der Matura studierte sie Theologie und Religionspädagogik an der Universität Wien. Im Jahr 1979 trat die heute 67-Jährige in den Orden Congegratio Jesu ein. Seit über zwölf Jahren unterrichtet sie an der Universidad Centroamericana „José Simeón Cañas” in San Salvador.

 

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