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Aus dem neuen »miteinander«

"Wir hören viel zu wenig auf die Menschen"

Interview mit Martin Werlen OSB

Wie passt der Gehorsam gegenüber Gott und dem Orden zusammen mit der Freiheit eines Christenmenschen? Ein Gespräch mit dem Ordensmann Martin Werlen OSB über die Kunst des Zuhörens und die Kraft zum Widerspruch. Das Interview führte Oliver Steinringer

miteinander 5-6/2023

miteinander-Magazin 5-6/23

Sie haben das Gelübde des Gehorsams abgelegt. Was bedeutet „Gehorsam“ für Sie?
Für mich hat der Gehorsam eine sehr positive Assoziation und sehr viel zu tun mit „horchen“ und „gehorchen“. Gehorsam bedeutet nicht einfach, etwas auszuführen, das gesagt wird, sondern ist aufmerksames Hören. Der heilige Benedikt schreibt in seiner Regel: „Neige das Ohr deines Herzens.“ Gehorsam bedeutet, ganz Ohr zu sein für Gott. Es ist nicht ein Mensch, dem ich Gehorsam verspreche, sondern Gott.


Aber ist es nicht so, dass man als Benediktiner seinem Abt Gehorsam verspricht?
Nein. Ich habe klösterlichen Lebenswandel, Gehorsam und Beständigkeit in der Gemeinschaft versprochen. Das habe ich nicht dem Abt versprochen, sondern Gott. Der Abt vertritt zwar Christus, aber der heilige Benedikt weiß, dass der Abt auch irren kann. Das heißt, dass ich als Mönch im Anlassfall die Verpflichtung habe zu sagen: Das stimmt nicht, da irren Sie sich. Ich muss mich wehren. Weil wir beide, der Abt und ich, verpflichtet sind, auf Gott zu hören.

 

Sie waren jahrelang Abt des Schweizer Klosters Einsiedeln. Wie sind Sie als Abt mit dem Versprechen des Gehorsams umgegangen?
Nach meiner Wahl als Abt habe ich mir das erste und das letzte Wort der Benediktsregel zum Motto genommen. Das erste Wort heißt „Ausculta! - Höre!“ und das letzte Wort „pervenies – du wirst ankommen“. Also: Höre und du wirst ankommen. Als Abt wollte ich immer zuerst ein Hörender sein und nicht einer, der sofort sagt, was passieren muss. Ich darf sagen, dass ich mit diesem Motto gut leben konnte, und ich denke, auch die meisten, die mit mir gelebt haben. In meiner Arbeit in der Schweizer Bischofskonferenz war mir das Zuhören ebenfalls sehr wichtig. Die meisten Themen, die wir in den Sitzungen der Bischofskonferenz behandelt haben, hatten mit den Menschen und ihren Nöten aber kaum etwas zu tun. Wir hören viel zu wenig auf die Menschen.


Das ist dann aber ein Widerspruch, wenn die Kirche nicht auf die Nöte der Menschen hört, die Menschen aber die Kirche hören sollen.
Wenn wir als Kirche nicht fähig sind, bei den Menschen zu sein und zu hören, was Gott uns gerade durch diese Menschen sagt, dann dürfen wir nicht von den anderen erwarten, dass sie Hörende sind. Das ist ein großes Defizit, das wir in der Kirche haben.

 

Woher kommt das Bild vom Gehorsam im Sinne eines „Kadavergehorsams“, dass man zu allem „Ja und Amen“ sagen muss?
Ich denke, die Kirche hat durch viele ihrer Mitglieder dazu beigetragen, dass das so verstanden wird – bis in unsere Zeit. Letztlich ist es oft eine Machtfrage. Das ist sehr gefährlich, denn es lässt keinen Spielraum zum Ringen mit Gott. Wir wissen alle, wie schwierig es manchmal ist, den Willen Gottes zu erkennen. Gerade als glaubende Menschen sind wir aber nicht jemandem ausgeliefert.

 

Ist die Kirche, so wie sie zurzeit ist, eine Kirche, auf die man hören kann?

Gewiss mehr als noch vor zehn Jahren. Der Synodale Weg in Deutschland hat mich sehr beeindruckt. Bei den Versammlungen konnten sich alle äußern und die anderen waren bereit, ihnen zuzuhören. Einige haben sich leider verabschiedet. Heute ist es möglich, offen über die Probleme und Sorgen der Menschen zu reden, ohne gleich ein Rede- oder Schreibverbot zu erhalten. Aber wir sind am Anfang eines langen Weges der Synodalität, des Zuhörens.

 

Wann muss man ungehorsam sein?
Nie. Gehorsam ist das Suchen, was Gott uns sagen will. Und diesem Gott sollten wir nie ungehorsam sein. Auf Gott zu hören, ist aber auch mühsam und ein Ringen.

 

Wann ist man ungehorsam?

Wenn ich zum Beispiel aus dem Lesen der Bibel erkenne, was Gott mir sagen möchte und was ich in meinem Leben tun soll – und ich das dann nicht tue. Ungehorsam liegt auch dann vor, wenn ich gehorsam bin, um nicht gehorsam zu sein: Ich bin gehorsam gegenüber einem Befehl, der mir gegeben wird, um nicht zu hören, was Gott will. Da schiebe ich die Verantwortung einfach auf einen anderen ab. Das ist viel einfacher. Aber ungehorsam.

 

 


miteinander-Magazin 5-6/23

Martin Werlen OSB
ist Benediktiner und seit 2020 Probst der zum Schweizer Kloster Einsiedeln gehörenden Propstei Sankt Gerold in Vorarlberg.

 

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Martin Werlen, Raus aus dem Schneckenhaus. Herder: 2020, ISBN: 978-3-451-39204-7, € 20,00.

 

 

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