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LebensZeichen

Wenn Leben an seine Grenzen stößt

Palliativmediziner Herbert Watzke im Interview

Macht die Möglichkeit des assistierten Suizids das Leben wirklich einfacher? Oder nicht eher das Sterben noch schwieriger? Ein Gespräch mit dem Palliativmediziner Herbert Watzke.

Von Daniel SEPER

 

Kardinal König

Kardinal Franz Königs Plädoyer, der Mensch solle an der Hand eines anderen und nicht durch die Hand eines anderen sterben, wird bis heute von den Bischöfen unterstützt.

 

Herr Prof. Watzke, in Deutschland wurden die Weichen in Richtung einer Legalisierung von assistiertem Suizid gestellt. Steht in Österreich eine ähnliche Entwicklung bevor?

 

Gegenwärtig beschäftigt sich der österreichische Verfassungsgerichtshof mit einer Klage von vier Patienten, die den assistierten Suizid einfordern. Der Ausgang der Entscheidung ist ungewiss. Rechtlich gesehen haben wir aber in Österreich eine ganz andere Ausgangssituation als in Deutschland, da wir unsere Rechtsprechung an den Empfehlungen des Europäischen Gerichtshofes orientieren und dieser dem assistierten Suizid ablehnend gegenübersteht. Umfragen in Österreich ergeben allerdings immer wieder, dass etwa 50 Prozent für und 50 Prozent gegen eine Änderung der aktuellen Gesetzeslage sind. Diesbezügliche Analysen zeigen, dass die Meinung dabei stark von der Vorstellung des eigenen Sterbens abhängt: Von denen, die meinen, dass Schmerzen und andere Beschwerden am Lebensende gut behandelt werden können, sind nur 10 Prozent für den assistierten Suizid; die, die glauben, dass das nicht möglich ist, sind überwiegend für den assistierten Suizid.

 

Wie kann hier die Palliativmedizin helfen?

 

Wir Palliativmedizinerinnen und -mediziner müssen auf diese Menschen zugehen und ihnen die Sicherheit geben, dass die Palliativmedizin praktisch alle am Lebensende auftretenden Probleme so lösen kann, dass ein friedliches Sterben möglich ist. Dabei müssen wir ihnen auch vermitteln, dass Patienten in Österreich lebensverlängernde medizinische Maßnahmen ohne Angabe einer Begründung jederzeit untersagen können, auch wenn das ihren sicheren Tod zur Folge hat. Und das betrifft nicht nur die eher seltene Situation des Abschaltens einer Beatmungsmaschine auf der Intensivstation, sondern zum Beispiel auch die viel häufigeren Situationen einer Antibiotikabehandlung bei Lungenentzündung oder bei einer Harnwegsinfektion. Unbehandelt führen diese Entzündungen in der geschwächten körperlichen Situation am Lebensende rasch zum Tod. Diese Ablehnung kann auch schon im Voraus mit einer Patientenverfügung festgelegt werden, wodurch die Ablehnung auch dann wirksam ist, wenn man sie selbst nicht mehr äußern kann. Entscheiden sich Patienten für diesen Ausstieg aus dem Leben, darf ihnen dabei nicht unsere Unterstützung und Hilfe entzogen werden, sondern laufen ganz im Gegenteil alle palliativmedizinischen Maßnahmen in vollem Umfang weiter.

 

Wird diese Möglichkeit denn wahrgenommen?

 

Diese Möglichkeit am Lebensende zu haben, empfinden viele unserer Patienten als große Erleichterung. Nur die wenigsten machen allerdings davon Gebrauch. Vielleicht, weil Palliativmedizin das Leben im Sterben lebenswerter gestaltet, als man – als gesunder Mensch – denkt. Vieleicht auch, weil es schwerer ist, das Leben auf eigene Initiative hin zu verlassen, als man – als gesunder Mensch – gemeinhin annimmt. Selbst in der sehr seltenen Situation eines Leidens am Lebensende, das durch keine (palliativ-)medizinischen Maßnahmen mehr so gelindert werden kann, dass es für den Strebenden erträglich ist, gibt es die Möglichkeit, durch die sogenannte palliative Sedierung einen Zustand der Beschwerdefreiheit herzustellen. Dabei wird auf Wunsch und mit Zustimmung des Patienten ein Schlaf-ähnlicher Zustand (Sedierung) herbeigeführt, in dem keine Beschwerden mehr verspürt werden, wodurch ein friedliches Sterben ermöglicht wird. Der Tod wird dabei nicht durch die Sedierung herbeigeführt, sondern durch das Fortschreiten der Erkrankung während der Zeit der Sedierung.

 

Was unterscheidet die Palliativmedizin von der aktiven Sterbehilfe?

 

Die Palliativmedizin verbessert die Lebensqualität der Patienten in ihrem Sterbeprozess so weit, dass sie ihr Leben als lebenswert empfinden können. Im Unterschied dazu geht es beim assistierten Suizid darum, das Leben zu beenden.

 

Welche Folgen hätte denn die Legalisierung des assistierten Suizids?

 

Sollte es in Österreich dazu kommen, werden die Befürworter der Gesetzesänderung sich darüber freuen, aber – wie in Ländern, in denen der assistierte Suizid zugelassen ist, zu sehen ist – nur vergleichsweise wenige werden davon Gebrauch machen. Was aber auf alle Menschen infolge dieser Gesetzesänderung zukommt, ist die Tatsache, dass sich in der schwierigen Situation einer schweren, zum Tod führenden Erkrankung, in der der Wille, leben zu wollen, mit dem Wunsch kollidiert, dass alles vorbei sein möge, weil man sich aufgrund der eigenen Pflegebedürftigkeit als schwere Belastung für die betreuenden Familienmitglieder oder auch für „die Gesellschaft“ fühlt, sich der assistierte Suizid als „soziale Lösung“ aufdrängt. Schwerkranke Menschen haben Beschwerden, sind pflegebedürftig, abhängig von ihren Angehörigen, vom System. Sie müssen sich nun zusätzlich Gedanken machen: „Meine Kinder könnten schon das Haus haben, das sie so dringend brauchen würden, nun müssen sie mich pflegen, Geld für mich ausgeben und dafür noch in schlechteren Verhältnissen leben.“ Das sind Dinge, die bisher gar nicht zu ändern gewesen sind, die nun im Prozess des Krankseins als Belastung hinzukommen. Wir alle müssen uns in dieser Situation überlegen, ob wir nicht vorzeitig das Leben verlassen, um den anderen einen guten Dienst zu erweisen. Eine belastende Überlegung mehr in einer ohnehin schon schwierigen Situation. Das Lebensende ist ja voll von Unwägbarkeiten, ein Sturm der Gefühle und der Hoffnungen – und dann wird man auch noch gedrängt, das Leben zu verlassen …

 


Prof. Dr. Herbert Watzke

 

Dr. Herbert Watzke

ist Professor für Palliativmedizin an der Medizinischen Universität Wien und Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin im AKH Wien.

 

 

 

 

 


INFORMATION:

VfGH verhandelt Sterbehilfe

Am 24. September 2020 gab es eine öffentliche Verhandlung zur Suizidbeihilfe am Verfassungs-gerichtshof. Dabei ging es um vier, mit Unterstützung des Schweizer Sterbehilfe-Vereins Dignitas eingebrachte Anträge, wonach die bestehenden Paragrafen 77 und 78 des Strafge- setzbuches zur „Tötung auf Verlangen“ und zur „Beihilfe zum Suizid“ gelockert werden sollen. Zum Redaktionsschluss lag in der Sache noch kein Urteilsspruch vor.

 

Hilfe in Krisen

Für Menschen in Krisensituationen und deren Angehörige gibt es eine Reihe von Anlaufstellen. So etwa den „Dachverband Hospiz“, eine eigene Suizidpräventions-Website des Gesundheits- ministeriums oder die Telefonseelsorge, die unter 142 rund um die Uhr erreichbar ist.

 

Webtipps

www.hospiz.at/betroffene

www.suizid-praevention.gv.at/

 

 

 

 

 

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