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Vom guten Leben

Leben als Paradiesvertriebene

Die Rede vom guten Leben ist zum Allerweltswort geworden. Doch welches Leben verspricht uns eigentlich die Bibel?

Ein Beitrag von Bibelkenner Wilhelm BRUNERS | miteinander 7-8/2020

 

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„Die Wahrheit der Bibel über unser Leben als Paradiesvertriebene ist dabei aber alles andere als nur angenehm“, so Wilhelm Bruners.

 

Von Leben kann man nicht sprechen, wenn man nicht weiß, was Sprache ist. Dieser Satz lehnt sich an das Wort von Günther Eich an: Von Gott kann man nicht sprechen, wenn man nicht weiß, was Sprache ist. Die Sprache vom Leben steht unter ebenso viel Ideologieverdacht wie das Wort vom „guten Gott“. Und „gutes Leben“? Auch das ist zum Allerweltswort geworden, das in sich eine tödliche Leere tragen und bis in den Lebensekel führen kann. Aber es wird allüberall so getan, als könne man es als sorgenfreies Leben finden, wenn man sich nur den richtigen Lebensberatungen anvertraut.

 

Zeit meines Lebens habe ich mit dem Wort und den Bildern der Bibel gelebt – zuerst in der Bibel des Großvaters, aus der er mir vorlas, später mit der Schulbibel, die an vielen Stellen geschönt war; bis ich dann die große Bibel lesen und studieren konnte. Diesem Buch vertraue ich ganz und gar, wenn es um Fragen des Lebens geht, denn die biblischen Bücher, und jetzt im Plural, haben ein unendlich großes Wissen um das Leben in allen seinen Schattierungen, in all seinen Licht- und Schattenseiten. Die Wahrheit der Bibel über das Leben ist dabei aber alles andere als nur angenehm. Kurz ist das Leben im Paradies, der frühen „Kinderstube“ der Menschheit: Gerade hat der Mensch sich aufrichtend seine Welt und sich im Spiegel des anderen entdeckt, schon wird er aus diesem warmen Nest vertrieben, weil er sich göttliche Erkenntnis „pflücken“ will. Aber kann er anders? Er trägt doch den freien Atem Gottes in sich!

 

Leben jenseits des Paradieses

Wir sind Paradiesvertriebene. Treten unter Geburtswehen in diese irritierende Welt, gleichzeitig geliebt und herausgefordert, und erkennen bald, dass wir zwischen „Dornen und Disteln“ leben müssen. Das Leben des Menschen ist harte Arbeit. Vor dieser sperrigen Wahrheit verschont uns die Bibel nicht. Bedroht von der Schöpfung in kleinen und in kosmischen Katastrophen, bedroht vom Menschen in Mord und Totschlag und bedroht durch sich selbst auf der Suche nach seiner Identität. Denn nirgendwo kann er sie nachlesen, weil die „Wanderkarten“, die ihm in die Hand gedrückt werden, sehr ungenau und zeitbedingt sind.

 

Und schließlich fühlt sich der Mensch auch bedroht von einer irgendwie göttlichen Welt hinter einem weiten Lebenshorizont, der Angst auslöst und gleichzeitig fasziniert. Sich mit diesem „göttlichen“ Horizont zu versöhnen, ihm seine bedrohliche Seite zu nehmen, ist der immerwährende (religiöse) Versuch, mit dem großen Mysterium, das in vielen Religionen Gott genannt wird, in lebensförderliche Verbindung zu kommen oder auch in ihr zu bleiben.

 

Leben gegen die Angst

„Fürchtet euch nicht!“ ist einer der zentralsten Zusprüche in der Bibel. Hunderte Male begegnet dem Menschen im Alten und Neuen Testament dieser ermutigende Satz. Gegen die Angst, vor allem gegen die Gottesangst, soll sich der Mensch zur Wehr setzen. Viele biblische Gottesbegegnungen werden mit dieser Anrede von Gottes Seite her eröffnet.

 

Da, wo sich der Mensch von dieser Gottes- und Lebensangst befreit sieht, gelingt ihm in seiner kleinen, großen Welt unendlich viel. Er entdeckt sich neu als geliebten Menschen und er sieht den anderen Menschen ebenso. Selbst in anstößiger oder abstößiger Form kann dann der Mitmensch, entfeindet, zur Schwester, zum Bruder werden. Das Bild des „Ecce homo“ in der Passion des Johannesevangeliums ist die eindrücklichste, aber auch irritierendste Ikone für diese Wahrheit. Die biblische Botschaft wird da zur Osterbotschaft, wo Menschen das Gefängnis der Gottes- und Lebensangst endgültig verlassen und ins Licht der Liebe und Freundschaft treten.

 

Dennoch: Der Mensch bleibt in dieser Welt befreiter Wanderer ohne endgültige Heimat. Den Grabstein der Angst hat, nach biblischer Überzeugung, Gott selbst wegrollt. Es liegt nun am Menschen, in die Freiheit eines Ostermorgens zu treten. Und die Welt mit neuen Augen und Ohren wahrzunehmen, um miteinander ein gutes Leben zu gestalten.

 

Zur Person

Dr. Wilhelm Bruners ist Priester der Diözese Aachen und lebt in Mönchengladbach. Er ist vielen Leserinnen und Lesern des „miteinander“ als Autor, Literat und Theologe bekannt. Am 4. Juni dieses Jahres wurde er 80 Jahre alt.

 

Buchtipp

Zuletzt erschien von Wilhelm Bruners der Band Am Rande des Tages. GedichteTyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2020, ISBN: 978-3-7022-3836-0, € 14,95

 

 

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