Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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Kinder fotografieren, die tot auf die Welt gekommen oder kurz nach der Geburt gestorben sind? Nein, das kann ich nicht, denkt Andreas Wenter im ersten Moment. Der Fotograf, der sonst mit seiner Frau auf Hochzeiten die schönsten Momente im Leben von Menschen festhält, sagt letztlich doch ja, als er gefragt wird, ob er „Sternenkindfotograf“ sein möchte. Vor seinem ersten Einsatz ist der Oberösterreicher nervös: „Als ich in den Raum hineingekommen bin, war die Aufregung vorbei. Ich habe dort so viel Liebe gespürt. Es war ein unglaublich hübsches Kind, das in der 40. Schwangerschaftswoche gestorben ist.“
Seit Wenter und seine Frau mit Anfang dieses Jahres offiziell als Sternenkinderfotografen registriert sind, haben sie mehr als zehn Kinder fotografiert. „Wir wollen den Eltern ein Geschenk machen: Das erste und letzte Bild ihres Kindes. Wir halten diese kurze Zeit, die sie mit ihrem Kind haben, fest.“ Wenter möchte ästhetische Bilder machen. Fotos, die die Eltern später gerne anschauen. Die aber auch äußere Erscheinungen wie eventuelle Deformationen des Kindes zeigen, um zumindest ein Stück weit begreiflich zu machen, warum das Kind nicht mehr lebt.
Warten und sich verabschieden
Möchten Eltern ein Foto von ihrem verstorbenen Kind, muss es sehr schnell gehen. Über eine App werden Sternenkindfotografen verständigt, können den Auftrag ablehnen oder übernehmen. Simone Strobl vom Verein Pusteblume ist österreichweite Ansprechpartnerin für Sternenkindfotografen. Sie setzt sich dafür ein, dass betroffene Eltern vom Angebot erfahren und dass medizinisches Personal in den Krankenhäusern sie auf diese Möglichkeit aufmerksam macht. Ihr Verein vermittelt aber nicht nur Fotografen. „Wir begleiten Eltern, deren Kind vor, während oder nach der Geburt verstirbt, helfen ihnen, sich auf das Ankommen und Verabschieden ihres Kindes vorzubereiten.“
Viele Eltern melden sich bei Strobl unmittelbar, nachdem sie erfahren haben, dass ihr Kind im Mutterleib gestorben ist. Sie stehen unter Schock und haben keine Ahnung davon, was auf sie zukommt. „Viele wissen gar nicht, dass sie, wenn keine medizinischen Gründe dagegensprechen, mit der Geburt warten können. Ich rate ihnen, sich zuerst einmal Zeit zu lassen.“ Es dauere, bis die Nachricht vom Tod des Kindes ins Bewusstsein sinke. Nehmen sich Eltern einen oder mehrere Tage, bis sie die Geburt einleiten lassen oder warten sie, bis die Geburt von sich aus beginnt, können sie sich in Ruhe von ihrem Kind verabschieden. „Ich sage ihnen: Jetzt hast du die Möglichkeit, mit deinem Kind im Bauch zu sprechen, du darfst die Zeit mit ihm genießen, überlegen, ob du ein Kuscheltier oder eine weiche Decke zur Geburt mitnehmen möchtest.“
Wahrgenommen und gesehen
Was betroffene Eltern vor allem brauchen, sei empathische Begleitung, einen Menschen, der sie in dieser Ausnahmesituation an die Hand nimmt und sie dabei unterstützt, sich zu verabschieden. „Es braucht jemanden, der erklärt, dass sie ihr Kind nach der Geburt anschauen und streicheln dürfen. Dass sie es baden können, eincremen und anziehen.“ Der Verein Pusteblume stellt gratis eigens angefertigte Kleidung und Einschlagdecken für totgeborene Kinder zur Verfügung. Denn ihrem Instinkt folgend, wollen Mütter ihr Kind warm und weich betten, sagt Strobl. „Kleidung ist ein Zeichen von Würde. Kein Kind ist zu klein, dass es nicht in eine kleine Decke gelegt werden kann.“ Strobl, die den Verein aus persönlicher Betroffenheit gegründet hat, weiß, wie dankbar Eltern sind, wenn man sie in dieser Ausnahmesituation unterstützt. „So wie bei einer normalen Geburt wollen auch Eltern eines Sternenkindes wahrgenommen und gesehen werden.“