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Wenn harte Jungs ihre weiche Seite zeigen

Gefängnisseelsorger Christian Kuhn im Interview

Seit über 40 Jahren arbeitet Christian Kuhn als katholischer Seelsorger im Gefängnis. Jedes Jahr erlebt er in der Advent- und Weihnachtszeit, wie auch bei besonders harten Jungs die Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit wächst. Das Interview führte Oliver STEINRINGER.

miteinander 11-12/2021

 

Seit 1980 begleiten Sie Menschen im Gefängnis. Was fasziniert Sie an Ihrem sehr speziellen Beruf?

 

Das Besondere an meinem Beruf ist der intensive Kontakt zu den Menschen, der immer eine Herausforderung, aber oft genug auch schön und interessant ist. Das Gefängnis ist ein Missionsgebiet, insofern als vielen Insassen der traditionelle Zugang zur Religion fehlt. Wenn man auf die Menschen wertschätzend und offen zugeht, entdeckt man aber schnell, wie sie für die Botschaft unseres Glaubens, dessen Kern ja das Liebesgebot ist, offen sind. Wichtig ist, dass man sich ein realistisches Gespür erarbeitet, da es natürlich auch immer wieder Versuche der Täuschung oder Manipulation gibt. Auch eine Abgrenzung oder ein „Nein“ kann wertschätzend erfolgen und wird dann fast immer auch gut angenommen.

 

Menschen sitzen hinter Gittern, weil sie Straftaten begangen haben. Gibt es im Gefängnis auch „gute“ Menschen? 

 

Natürlich. Da gibt es auch Menschen mit gutem Charakter. Die Gefängnismauer ist nicht die Grenze zwischen Guten und Bösen. Die Menschen im Gefängnis sind in vielem wie du und ich. Den typischen Häftling gibt es nicht, die Menschen sind sehr unterschiedlich. Es gibt natürlich den verfestigt Kriminellen, der schnell viel Geld will, ohne Rücksicht auf andere. Es gibt von Sucht Getriebene, es gibt Psychopathen, die sehr gefährlich sein können, es gibt Verblendete usw. Es gibt aber auch Lebensuntüchtige, oft gutwillige und keineswegs bösartige Menschen, die von frühester Kindheit an nie lernen durften, wie man sich gesellschaftlich akzeptiert durchs Leben schlägt.

 

Wie wird Weihnachten in der Justizanstalt gefeiert?

 

Ja, die gab es. Ich habe meiner Band gleich gesagt: Macht euch keine Sorgen, ihr könnt jeden Vorschuss haben, den ihr braucht – irgendwann werden wir wieder spielen. Und es gab, dank der elektronischen Möglichkeiten, auch viel mehr Kommunikation untereinander als üblich. Nicht nur weil die Projekte, die sonst den Rhythmus vorgeben, ausgesetzt waren, sondern weil die Verbundenheit spürbar gewachsen ist.

 

Wie wird Weihnachten in der Justizanstalt gefeiert?

 

Auf den Abteilungen werden zumeist Adventkränze und Christbäume aufgestellt. Früher durften die Gefangenen Pakete mit Keksen, Zigaretten und anderen Geschenken von ihren Angehörigen erhalten. Das ist jedoch verboten worden, weil in den Paketen wiederholt Drogen geschmuggelt wurden.

 

Welche Angebote gibt es seitens der Seelsorge in der Advent- und Weihnachtszeit?

 

In Österreich gibt es die schöne Tradition, dass zu Weihnachten die Bischöfe die Gefängnisse besuchen. In die Justizanstalt Josefstadt kommt jedes Jahr Kardinal Schönborn, der bei dieser Gelegenheit den persönlichen Kontakt zu den Menschen sucht. Außerdem verteilen wir, mit Unterstützung vieler Pfarren, im Raum Wien jedes Jahr um die 700 Weihnachtspackerl an bedürftige Gefangene, die keinen Menschen mehr außerhalb des Gefängnisses haben. Darin finden sich Zigaretten und löslicher Kaffee – sehr begehrte Waren –, Weihnachtsbäckerei und ein Kalender. So setzen wir als Christen ein Zeichen der Verbundenheit mit den Inhaftierten.

 

Ist Weihnachten für Gefangene trostlos, weil sie das Fest in Haft verbringen müssen?

 

Auch dies ist unterschiedlich. Manche finden zu Weihnachten ihren persönlichen Frieden, viele aber spüren besonders schmerzlich das Fehlen von Familie oder die Trennung von ihr. Manche spüren Verzweiflung, weil Erinnerungen an schöne Weihnachtsfeste in der Freiheit hochkommen. Jeder Inhaftierte kommt aus einem anderen Lebenskontext, weshalb es keine generelle Antwort auf diese Frage gibt.

 

Inhaftierte haben viel Zeit zum Nachdenken. Mit welchen Themen kommen sie in der Weihnachtszeit zu Ihnen?

 

Weihnachten verbreitet seine Stimmung durch die Gefängnismauern hindurch. Das berührt viele Insassen und sie denken viel nach. Da ist in der Advent- und Weihnachtszeit der Wunsch nach Aussprache stark und viele melden sich bei uns. Die Gefangenen kommen mit allen möglichen Anliegen. Explizit religiöse Themen werden seltener angesprochen, aber viel hat mit Fragen des Glaubens zu tun. Wie zum Beispiel die Sinnfrage, die auftaucht, wenn jemand 20 Jahre Haft bekommt und sich dann Gedanken macht, ob dieses Leben trotzdem noch sinnvoll sein kann. Und welchen Sinn man hier geben oder entdecken kann. Ein großes Thema ist natürlich die Schuldfrage: Ist Vergebung für meine Tat möglich und wenn ja, wie?

 

Welche Botschaft möchten Sie den Häftlingen zu Weihnachten vermitteln?

 

Zu Weihnachten wächst bei nicht wenigen harten Jungs die Sehnsucht nach Heimat, Wärme und Geborgenheit. Sie sind weicher als sonst. Die weihnachtliche Atmosphäre macht etwas mit ihnen. Ich möchte den Gefangenen mitgeben, dass es Licht im Dunkeln gibt. Sie können im christlichen Glauben ein liebendes Du finden, das sie so annimmt, wie sie sind.

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