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Einander Mensch werden

Editorial aus dem "miteinander" | Ausgabe 11-12 / 2022 - Von Chefredakteur Henning KLINGEN

 

Meine jüngste Tochter ist dreieinhalb. Das halbe Jahr ist ihr wichtig. Denn drei sind schließlich nur Babys. Dreieinhalb ist schon fast, nun ja, erwachsen – aus ihrer Sicht jedenfalls. Und so gibt sie familiär ziemlich den Takt vor. Zumindest, wenn es nach ihr geht. Und meist geht es nach ihr. „Du kleines Stück Mensch…“, sage ich dann manchmal, halb genervt, halb amüsiert, wenn sie uns und ihre drei Geschwister wieder mal vor sich hertreibt. Eines ihrer aktuellen Lieblingsbücher ist ein kleines Wimmelbuch. Eine Seite zeigt dabei Kinder bei einem Krippenspiel, versammelt um Maria, Josef und das Jesuskind. Für solcherlei „Kindereien“ hat meine Tochter allerdings keine Zeit. Sie interessieren die rodelnden und tobenden Kinder auf den anderen Buchseiten. Menschwerdung: abgeschlossen, denke ich mir da manchmal merschöpft.

"Wenn der Satz von der Gleichheit aller Menschen stimmt, dann bedeutet das auch, dass es kein Leid gibt, das uns nichts angeht."

Aber so ganz stimmt das natürlich nicht. Denn Menschwerdung meint in unserem christlichen Verständnis schließlich keine „biologistische“ Verknappung, sondern eine Zusage und Ansage. Denn wenn Christus – wie es in einem Gebet aus dem 14. Jahrhundert heißt – „keine Hände, nur unsere Hände“ hat, „um seine Arbeit heute zu tun“, so bedeutet dies, dass die Botschaft von der Menschwerdung zuallererst eine Aufforderung an uns selbst darstellt: Werde deinem Nächsten Mensch! Es gibt eine prominente säkulare Version dieses Imperativs – ausformuliert
in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Auch wenn das Christentum inzwischen vielen fremd geworden ist – es lebt. Nicht nur in den unzähligen Pfarren und Gemeinschaften, sondern auch verborgen im Herzen einer säkularen Welt. Einer mWelt, die aktuell wieder drauf und dran ist, diese ihre Grundcharta zu vergessen. Umso mehr, so könnte man daraus schließen, braucht es uns Christen – denn wenn der Satz von der Gleichheit aller Menschen stimmt, dann bedeutet dies umgekehrt auch, dass es kein Leid auf der Welt gibt, das uns nichts angeht.

 

Stichwort Brüderlichkeit: Kehren wir nochmals zu meiner jüngsten Tochter zurück. Denn das „kleine Stück Mensch“ kann speziell ihren doppelt so alten Bruder ganz schön piesacken. Vielleicht, so hoffe ich still, wird der Glanz von Weihnachten nicht nur die Sehnsucht nach Frieden neu bündeln, sondern auch in Erinnerung rufen, dass Menschwerdung ein Imperativ ist. Auf weltpolitischer Bühne ebenso wie im Kleinen und Familiären.

 

miteinander-Chefredakteur Dr. Henning Klingen

miteinander-Chefredakteur Dr. Henning Klingen

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