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Krieg ist nie menschlich

Interview mit Kriegsberichterstatter Fritz Orter

Zwischen Empathie und Distanz: Kriegsreporter Friedrich Orter im Interview über prägende Erfahrungen an Kriegsschauplätzen, die Deutungshoheit im Ukraine-„TikTok-Medien-Krieg“ und warum Frieden niemals selbstverständlich ist. Das Interview führte Lukas CIONI

 

miteinander 11-12/2022

Fritz Orter

Herr Orter, Journalisten berichten aktuell intensiv von Kriegsschauplätzen in der Ukraine. Gab es Momente, in denen Sie gezwungen waren, Ihren journalistisch-neutralen Standpunkt zu verlassen?

Es ändern sich die Gesichter, Schreie, Sprachen und Tränen. Leid, Elend und Sterben sind austauschbar. Wenn du erlebt hast, wie ein Kollege, mit dem du am Abend an der Hotelbar noch ein Bier getrunken hast, am nächsten Morgen an der Front erschossen wird, dann wird für dich als Betroffener die abgehobene Diskussion über Sinn und Unsinn der Kriegsberichterstattung Zeitverschwendung.

 

Journalismus in Kriegsgebieten bedeutet einen 24-Stunden-Job. Warum haben Sie sich
dennoch dafür entschieden?

Meine Intention ist es, die Wirklichkeit zu erklären, um der Wahrheit möglichst nahe zu kommen und meine Mitmenschen aufzuklären, dass Friede keine Selbstverständlichkeit ist. Ob sie es verstanden haben, ist aber eine andere Frage – ich habe hier meine Zweifel. Es war außerdem immer mein Bemühen, Kriegsopfern zu helfen. Krieg ist nie menschlich. Positiv in Erinnerung bleibt mir, einigen Leidtragenden wirklich geholfen zu haben.

"Letztlich sind alle Kriege immer auch Medienkriege – von Cäsars Gallischem Krieg bis zum „embedded journalism“ der US-Army. Jeder Kriegsreporter, der ernst genommen werden will, lässt sich jedoch grundsätzlich nicht als nützlicher Idiot missbrauchen."

Sie sind offiziell seit zehn Jahren in Pension. Aus der Distanz betrachtet: Hat sich ihr Berufsstand verändert?

Ich war auch als Pensionist immer wieder in Kriegsgebieten. Zuletzt 2017 für eine Reportage in Syrien. Der Ukraine-Krieg hat die professionelle Berichterstattung fundamental verändert, denn wir sind Zeugen des ersten Smartphone- und Tik-Tok-Krieges. Letztlich sind aber alle Kriege immer auch Medienkriege – von Cäsars Gallischem Krieg bis zum „embedded journalism“ der US-Army. Jeder Kriegsreporter, der ernst genommen werden will, lässt sich jedoch grundsätzlich nicht als nützlicher Idiot missbrauchen.

 

Ist die Pressefreiheit aktuell in Gefahr?

Die Pressefreiheit war und ist immer in Gefahr. Der legendäre FAZ-Herausgeber Paul Sethe schrieb 1965 selbstkritisch: „Die Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“

 

Sie haben viel erlebt: Wie verarbeitet man psychisch prägende Erlebnisse?

Hilf dir selbst, sonst kann dir niemand helfen. Und keiner, der nicht selbst mitten drin war, wird und kann das je begreifen und verstehen.

 

Woraus schöpfen Sie selbst Hoffnung und Kraft?

Aus dem Verständnis der mir liebsten Menschen: meiner geliebten Frau und meiner bewundernswerten Tochter. Und ich bedaure, dass ich zu viele Festtage, die im Zeitraum meiner Abwesenheit lagen, nicht im Kreise meiner Familie feiern konnte.

 


Fritz Orter

Friedrich Orter

ist freier Journalist, Autor und ehemaliger Kriegsberichterstatter. Sein letzter ORF-Auslandseinsatz führte ihn in den syrischen Bürgerkrieg. Im September 2012 beendete er seine Laufbahn beim ORF und wurde im selben Jahr mit dem „Journalist des Jahres“-Sonderpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

 

Buchtipp:

Der Vogelhändler von Kabul

Friedrich Orter: Der Vogelhändler von Kabul. ecoWing-Verlag: 2017, ISBN-13: 9783711001474, € 20,00.

 

 

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