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Nachhaltiger Selbstbetrug

Editorial aus dem "miteinander" | Ausgabe 9-10 / 2022 - Von Chefredakteur Henning KLINGEN

Ein Bienenstich ist eine schmerzhafte Sache. Erst tut er punktuell weh, dann schwellen ganze Körperregionen an und jucken. Kleine Fehler im Umgang mit Bienen können sich so tagelang rächen. Auch ich habe das lernen dürfen. Seit zwei Jahren versuche ich mich als Imker. Weil wir Honig lieben und etwas gegen das Bienensterben tun wollten. Dabei musste ich lernen: Ich kann den Bienen meinen Willen nicht aufzwingen. Sie lehren den Imker, was richtig ist und was falsch. Zur Not mit fiesen Stichen. Ähnliches, so könnte man einen Vergleich wagen, zeigt unser Umgang mit der Schöpfung: Sie verzeiht viel, doch wenn man nicht auf sie hört, sich nicht auf sie einlässt, kann, ja, wird sie sich gegen uns stellen.

"Nachhaltigkeit – das ist auch ein stilles, fast religiöses Bekenntnis, das uns an unsere Verwobenheit untereinander erinnert."

Rückblick: Unser Sommer im Wienerwald war vom Wetter her betrachtet „normal“. Es war zwar heiß, aber es hat zugleich viel geregnet. Wald und die Pflanzen wuchsen, als gäbe es kein morgen. Ein Sommer wie damals. Und schon keimt im Kleinen jener Selbstbetrug, der es so schwer macht, das Ruder auch im Großen herumzureißen: Ist doch alles nicht so schlimm mit dem Klimawandel. Zumindest bei uns nicht. Da kann man doch nach den zwei Corona-Jahren endlich mal wieder in Urlaub fliegen… Wir können das nicht. Weder finanziell mit vier Kindern noch „moralisch“: denn ich habe vier Gretas am Tisch sitzen, die – völlig zu Recht – darauf pochen, nicht mehr zu fliegen, sondern lange Reisen per Zug zu absolvieren. Zugleich aber essen meine vier Thunberg-Sympathisanten gern Fleisch, kaufen ihre Klamotten bei H&M und ihre Möbel bei IKEA. Sie wissen das, leiden selber darunter. Ein konsequent nachhaltiger Lebensstil ist schlichtweg schwer durchzuhalten.

 

Kirchliche Worte zur Nachhaltigkeit setzen stets bei eben diesem Individualverhalten an. Spare Ressourcen, kauf Bio – und alles wird gut. Doch das wird nicht genügen. Die weltweiten wirtschaftlichen Systeme sind so komplex und zehrend, dass es eben nicht genügt, Biowein zu trinken und Bienen zu halten. Selbst harte Lockdowns haben die Schadstoffkurven nur sehr kurz etwas nach unten gedrückt. Daher eignet allen Appellen auch eine gewisse Tragik und Traurigkeit. Dabei meint Nachhaltigkeit eigentlich mehr, ist das Wort doch ein stilles, fast religiöses Bekenntnis: Denn es erinnert uns an unsere Verwobenheit über die Generationsgrenzen hinweg.

Es geht um Verantwortung und darum, dass wir für unser Fehlverhalten einst zur Verantwortung gezogen werden. Praktisch gewendet: Es geht auch darum, unsere Kinder in einer sich rapide wandelnden Welt an die Hand zu nehmen – auf dass das Band der Generationen nicht reiße. Und nebenbei von ihnen zu lernen wie von den Bienen. Meist mit schmerzhaften Stichen.

 

 

miteinander-Chefredakteur Dr. Henning Klingen

miteinander-Chefredakteur Dr. Henning Klingen

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