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Neue Berufungsserie, Teil 3

Während manche Menschen von der Überfülle der Angebote überwältigt sind, gibt es für die meisten Menschen letztlich keine Wahl. Unsere Aufgabe als Christen besteht daher darin, eine gerechte Gesellschaftsordnung zu errichten und so die Menschenwürde zu schützen.

Von David STEINDL-RAST.

miteinander 5-6/2022

David Steindl-Rast

Was können wir jungen Menschen sagen, die gar keine Chance der Berufswahl haben? Wenn wir ihre Lage ernst nehmen, dann zeigt sich: Das Entscheidende an unserer Berufung sind nicht die äußeren Umstände, sondern unsere innere Haltung. Unsere eigentliche Berufung ist nicht, was wir tun. Darüber können wir nur in begrenztem Ausmaß entscheiden. Aber wie wir es tun, das steht uns frei. Nicht auf unseren Platz im Kreis der Tanzenden kommt es an, sondern darauf, wie wir tanzen – auf Achtsamkeit und Respekt für alle anderen, besonders für die neben uns Tanzenden. Fernstenliebe ist so viel bequemer als Nächstenliebe. Sie verlangt ja nichts Konkretes von uns. Nur durch unsere Nächsten, unsere Nachbarn im Tanzkreis, die wir an den Händen fassen, sind wir mit allen anderen verbunden. Noch etwas anderes müssen wir im Zusammenhang mit Berufung erwägen, zwei Schlüsselworte, die für uns Heute-Lebenden
gerade darum so wichtig sind, weil sie uns so problematisch erscheinen: Verpflichtung
und Bindung. Die Vorstellung von Freiheitsverlust, die wir mit diesen Begriffen verbinden, weckt bei vielen Menschen geradezu panische Angst. Wir wollen diese Schwierigkeit ehrlich ins Auge fassen und fragen: Was macht heute jede verpflichtende Bindung an eine Aufgabe oder Beziehung so schwierig?

 

Flexible Verpflichtungen

Drei schwerwiegende Gründe dürften dieser folgenden sein: das Ansteigen unsrer Lebenserwartung, der Wandel der Zivilisation in so vielen Bereichen und, ausgelöst  nicht zuletzt durch die Geschwindigkeit dieses Wandels, eine allgemeine psychische Ruhelosigkeit. Wie können wir lernen, mit diesen Gegebenheiten umzugehen, die es uns so erschweren, uns bindend zu verpflichten? Wir wollen sie im Folgenden einzeln betrachten. Dass wir länger leben als unsere Vorfahren, ist eine Errungenschaft von Medizin und Hygiene, für die wir gewiss dankbar sein können, besonders solange wir gesund sind. Durchschnittlich sind uns mehr als doppelt so viele Lebensjahre geschenkt als den Menschen vor nur wenigen Generationen. Wie aber könnte man von uns erwarten, dass wir uns für eine so viel längere Zeit als unsere Vorfahren bindend zu etwas verpflichten? Und dies, während alles um uns herum sich so viel schneller verändert als früher. Da kann es uns helfen, zu unterscheiden zwischen Form und Inhalt einer Verpflichtung. Wir können einem Versprechen treu bleiben, obwohl die Form, in der wir es verwirklichen, sich im Laufe des Lebens verändert.

 

Unsere Großeltern machten diese Unterscheidung noch nicht. Die Mentalität der Gesellschaft hätte es damals nicht gestattet. Eine Lebensverpflichtung einzugehen, das bedeutete ganz selbstverständlich, sie lebenslang in ein und derselben Form zu verwirklichen. Heute ist die Gesellschaft da flexibler und für Veränderungen offener geworden. Jetzt ist es ohne Weiteres möglich, etwas, wozu wir uns fürs ganze Leben verpflichtet wissen, in ganz verschiedenen, aufeinanderfolgenden Formen zu verwirklichen. Wir verpflichten uns unserem tiefsten Verlangen, nicht dieser oder jener Form seiner Verwirklichung. Mehrere Berufe können wir nacheinander ausüben und dabei eine Vielzahl unserer Begabungen entfalten, unserer tiefsten Berufung getreu und ohne vom Weg unserer bleibenden Begeisterung abzuweichen.

 

Berufungsserie


Bruder David Steindl-Rast

Geboren 1926 in Wien, studierte Kunst, Anthropologie und Psychologie in Wien und trat 1953 in das Benediktinerkloster Mount Saviour im Bundesstaat New York ein. Er engagiert sich seit den 1960-er Jahren im interreligiösen Dialog und stand in engem Kontakt mit Thomas Merton, Thich Nhat Hanh oder dem Dalai Lama, ist erfolgreicher Buchautor und Initiator des Netzwerks "Dankbar Leben" (www.dankbar-leben.org).

 

David Steindl-Rast: Orientierung finden, Tyrolia 2021.

 

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