Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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miteinander 1-2/2022
Wie wichtig die leibhafte Dimension des Gottesdienstes ist, haben uns die Zeiten, in denen öffentliche Messfeiern Corona-bedingt ausgesetzt waren, schmerzlich vor Augen geführt. Es ist halt doch etwas ganz anderes, ob man in einem Kirchenraum, der die Gebete und Gesänge von Menschen vieler Generationen birgt, gemeinsam zusammenkommt und real und physisch präsent ist oder ob man auf der Wohnzimmer-Couch vor dem Fernsehgerät oder im Arbeitszimmer vor dem Computer Platz nimmt, um online den Gottesdienst mitzufeiern.
„Augen, Mund und Hände täuschen sich in Dir,
doch des Wortes Botschaft offenbart Dich mir.“
Liturgie lebt davon, dass sie sinnlich wahrnehmbar ist. Es ist keine abstrakte Gedankenübung, wir denken dabei nicht nur mit und nach, sondern hören Gottes Wort mit unseren Ohren, sehen Kerzen und Handlungen mit dem Auge, riechen den Weihrauch und spüren und schmecken sogar etwas bei der Kommunion. Sakramente sind sichtbare Zeichen, die den Glauben erfahrbar machen. Und so begegnet Christus in der Eucharistiefeier nicht nur im Wort, sondern ist leibhaftig gegenwärtig. Seit Jahrhunderten zerbrechen sich Theologen den Kopf über die Worte Jesu „Das ist mein Leib“ und „Das ist mein Blut“. Auch wenn es letztlich ein „Geheimnis des Glaubens“ bleibt, so wurde versucht, sich dem Mysterium zumindest anzunähern.
„Kann ich nicht wie Thomas schau’n die Wunden rot,
bet’ ich dennoch gläubig: ‚Du mein Herr und Gott!‘“
Man isst kein menschliches Fleisch, wenn man die Kommunion empfängt. Das Brot ist aber auch nicht nur ein Symbol, eine Erinnerung an etwas, das einmal war. In der Eucharistiefeier vollzieht sich eine innere Wandlung. Die äußeren Gestalten bleiben erhalten: Es schmeckt, riecht, sieht aus wie Brot und Wein. Doch das innere Wesen, die Substanz, wird eine andere. An die Stelle der Brot- und Weinsubstanz tritt jene von Leib und Blut Christi. Die katholische Sakramententheologie nennt das Transsubstantiation, also Wesensverwandlung.
Und das Ergebnis davon ist: Christus ist wirklich gegenwärtig und er bleibt in den Gaben ganz real und dauerhaft präsent. Nichts anderes will die Kirche – und zwar nicht nur die katholische, sondern auch viele andere christliche Gemeinschaften – mit der Lehre über die Realpräsenz sagen. Diese bleibende Gegenwart ermöglicht auch, dass Christus in der Gestalt des Brotes bei einer eucharistischen Anbetung verehrt oder zu Fronleichnam durch die Straßen getragen wird.
„Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht,
stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht.“
Für den Christen bleibt es dabei: Jesus ist ganz da und real, er bleibt bei den Menschen präsent, er ist sichtbar und doch verborgen. Diese Gewissheit, die Nähe und Distanz, Wesen und Gestalt zusammenbringt, hat der, der mit glaubenden Augen auf das kleine Stück Brot schaut.
Zitate aus dem Hymnus Adoro te devote von Thomas von Aquin (1225–1274) – vgl. Gotteslob Nr. 497.