Ewiges Leben – oder schlechte Unendlichkeit?
miteinander 11-12/2025
Ich glaube an (…) das ewige Leben. Amen.“ So beginnt und endet das christliche Glaubensbekenntnis. Was aber bedeutet es, sich ein „ewiges Leben“ zu erhoffen? Ewigkeit ist ja ein doppelbödiger Begriff und es ist gar nicht klar, ob etwa eine Verlängerung des diesseitigen Lebens – eine säkulare Abschaffung des Todes also, wie sie etwa der Transhumanismus verspricht – etwas ist, das wünschenswert wäre. Dies können Sie, liebe Leserinnen und Leser, ja einmal für sich entscheiden: Würden Sie, wenn Ihnen morgen jemand eine Pille anbietet, die sie unsterblich macht, diese Pille nehmen? Was wären die Vorteile, was die Nachteile?
"Erst wenn man es aushalten könnte, das gleiche Leben unendliche Male zu leben und es jedes Mal aufs Neue zu bejahen, sei man auf einem guten Weg zum „Übermenschen“ – das aber schaffe kaum einer."
Zumindest für den großen Antipoden des Christentums, Friedrich Nietzsche, ist die Sache recht klar: Eine „ewige Wiederkehr des Gleichen“ bezeichnet er als das „größte Schwergewicht“, welches man um den Hals gehängt bekommen könnte. Erst wenn man es aushalten könnte, das gleiche Leben unendliche Male zu leben und es jedes Mal aufs Neue zu bejahen, sei man auf einem guten Weg zum „Übermenschen“ – das aber schaffe kaum einer.
Nietzsche schreibt: „Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Große deines Lebens muss dir wiederkommen, und alles in derselben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!“ (Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 341)
Keine ewige Wiederkehr des Gleichen
Aus christlicher Perspektive ist es nun wichtig, zu sehen, dass christliche Hoffnung gerade nicht darauf zielt, das irdische Leben zu verstetigen oder ins Unendliche zu führen. Es geht ihr nicht, wie etwa Nietzsche, um eine „ewige Wiederkehr des Gleichen“. Ein Leben wäre nicht dann erfüllt und eine Person wäre nicht dann erlöst, wenn sie einfach nur unendlich lange am Leben bliebe. Eine gelingende Existenz lebt davon, dass sie einen Zeitindex hat. Nichts hätte mehr einen Wert, wenn man ewig Zeit hätte, es zu tun oder zu erleben.
Hier liegen daher auch die Grenzen gegenwärtiger säkularer „Hoffnungsprogramme“ wie der „Longevity Studies“ oder des Transhumanismus: Beide versprechen eine Verlängerung, vielleicht sogar Verewigung des diesseitigen Seins. Es geht ihnen um nichts weniger als die Abschaffung der menschlichen Sterblichkeit. Es ist aber nicht ersichtlich, warum das überhaupt anzustreben ist. Im Gegenteil: Würde nicht durch eine Verewigung der eigenen Existenz alles, was man tut, beliebig werden? Könnte man nicht alles in die unendliche Zukunft verschieben, weil die Gegenwart keine Relevanz mehr hätte? Wäre das Resultat einer „ewigen Wiederkehr des Gleichen“ nicht einfach nur unendliche Langeweile? Thomas Ramge bringt das etwas salopp auf den Punkt, wenn er in Anlehnung an die Schriftstellerin Susan Ertz sagt: „Millionen sehnen sich nach einem ewigen Leben, wissen jedoch nicht einmal, was sie mit sich an einem verregneten Sonntagnachmittag anfangen sollen.“
Transformation statt Langeweile
Die christliche Hoffnung liegt also quer zu einer ewigen Wiederkehr des Gleichen: Ihr geht es um eine Transformation des Seins, nicht um eine schlechte Unendlichkeit. Ihr geht es darum, dass am Grund des Seins nicht das Nichts oder die gähnende Leere eines unvorstellbar großen Universums wartet, sondern eine Beziehungswirklichkeit: Der letzte Grund des Seins ist Gemeinschaft, ist Liebe; und die christliche Hoffnung zielt darauf, eines Tages als Person an dieser unbedingten Liebe teilzuhaben. Christliche Hoffnung zielt auf eine Transformation der eigenen Existenz, die im Diesseits bereits anfanghaft erfahrbar ist. Karl Rahner formuliert im Anschluss an Ludwig Feuerbach prägnant: „Gemeint istnicht, dass es nach dem Tod weitergeht, als ob, um mit Feuerbach zu sprechen, nur die Pferde gewechselt und dann weitergefahren würde, also jene eigentümliche Gestreutheit und unbestimmte, immer neu bestimmbare leere Offenheit des zeitlichen Daseins weiterdauere. Nein, in dieser Hinsicht
setzt der Tod ein Ende für den ganzen Menschen.“
Wenn die Hoffnung auf Ewigkeit nicht die unendliche Verstetigung von Zeit, sondern die Auszeitigung des Subjekts und die Transformation der eigenen Existenz in eine andere Form von Zeitlichkeit meint, dann ist auch klar, dass alles, was Menschen oder die Kirche über die göttliche Wirklichkeit sagen, vorläufig ist. Die Rede von Gott zielt auf etwas, das jenseits der Zeit liegt – und vollzieht sich zugleich immer in der Zeit. Das heißt nicht, dass man über Gott nichts Sinnvolles sagen könnte – aber es heißt, dass niemand die Wahrheit mGottes besitzt. Diese Unsicherheit gilt es, über die Dauer unseres irdischen Lebens auszuhalten – und darauf mzu hoffen, dass ein „Ende der Zeit“ nicht zugleich ein vollständiges Ende von allem mist, sondern in einer transformierten Zeitlichkeit göttliche Liebe auch unvermittelt erfahrbar wird.
Dr. Martin Breul
ist aktuell Vertreter der Professur für katholische Theologie mit Schwerpunkt Systematische Theologie an der Technischen Universität Dortmund.