Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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Mein Glaubensweg begann auf einem Rübenfeld irgendwo zwischen dem deutschen Erkelenz und Düren am Niederrhein. Mit 16 bin ich aus sportlichem Ehrgeiz der Einladung meines Freundes gefolgt, mit einer Gruppe nach Trier zu pilgern. Eine Woche Fußmarsch. 250 Kilometer, über die Höhenzüge der Eifel bis zum Grab des Apostels Matthias. Es gibt ein Bild, das mich mit mürrischem Blick bei Regen und Wind zeigt. Ein halbgarer Jugendlicher mit Walkman, Kopfhörern und offenbar nicht interessiert, mit der Gruppe zu gehen oder gar das Kreuz zu tragen. Ein anderes Foto zeigt mich nach der Ankunft im Kloster, erschöpft, aber glücklich – Pilgerkreuz. Dazwischen lag eine Woche voller Gemeinschaftserlebnisse und Gespräche, nein, harter Diskussionen. Denn einer der Leiter der Wallfahrt, Thomas, wurde zu einem Reibebaum in Permanenz. Ob Papstamt, Gewissensbildung oder Sonntagspflicht: Es gab kaum ein Thema, bei dem wir nicht konträrer Meinung waren. Es wurde gestritten, laut, immer emotional und in der Gewissheit: Es geht um etwas. Zehn Jahre lang – bis ich nach Österreich zog – bin ich Jahr für Jahr mit der Gruppe nach Trier gepilgert. In dieser Zeit fiel mein Entschluss, Theologie zu studieren.
Es braucht Menschen, die bereit sind zu streiten. Weil sie wissen:
Es geht um etwas.
Die Diskussionen mit Thomas wurden „akademischer“, aber nicht weniger emotional. Am Ende war er immer „das Lehramt“ und ich der „linke Ketzer“. Thomas mutierte für mich zu so etwas wie einem persönlichen Seelsorger, mehr noch, einem „Vater im Glauben“. Ein großes Wort, aber ein treffendes; denn ich bin überzeugt, dass Glauben sich weder durch intellektuelle Einsicht noch durch rein professionell-pastorale Services einstellt. Glauben braucht Vorbilder zur Orientierung, denen man widersprechen kann, ja, muss! Gegen die man rebellieren kann. Also Väter und Mütter im Glauben. In Zeiten größer werdender pastoraler Räume klingt das nach einem Wunsch. Aber tatsächlich sind Glaubenswege oft verschlungen, führen über Höhenzüge der Eifel, aber manchmal auch durch Tiefebenen voller Rübenfelder. Da braucht es Menschen, die mit einem gehen, mit einem streiten, die einen ernst nehmen.
Wenn ich Thomas heute besuche und wir über Glaubens- oder Kirchenfragen diskutieren, zucke ich oft innerlich zusammen, weil ich mir eingestehen muss: Ich bin oft seiner Meinung.
Vielleicht ist das der Lauf der Dinge: Wenn Väter im Glauben zu Großvätern werden, sollte man selber die Wanderschuhe schnüren – auf dass man unterwegs junge Menschen mit Stöpseln im Ohr trifft, die man mit ein paar Glaubenssätzen bis aufs Blut reizen kann.
miteinander-Chefredakteur Dr. Henning Klingen