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miteinander 11-12/2024
Mit Menschen geredet hat Walter Brunner immer schon gern. Seit dreißig Jahren hört der 63-Jährige als Betriebsrat und Zentralbetriebsrat bei seinem Arbeitgeber Casinos Austria zu, wenn Kollegen mit ihren dienstlichen Anliegen zu ihm kommen. Die wissen das zu schätzen – auch über den Job hinaus. „Die Leute wissen, dass sie mir vertrauen können, und erzählen mir auch von ihren privaten Angelegenheiten. Sie sprechen mich im Dienst an oder bei der Weihnachtsfeier und wollen mit mir reden.“
Seit Herbst hat Walter Brunner ganz offiziell ein offenes Ohr für die Sorgen und Probleme der Mitarbeiter der Casinos Austria: Als Betriebsseelsorger bietet er ihnen einen Gesprächsraum an – anonym und verschwiegen. Mittlerweile in Altersteilzeit, wird er zweimal in der Woche den fast 800 Mitarbeitern von Casinos Wien und der Casinos-Austria-Zentrale als Seelsorger zur Verfügung stehen.
Inspiration von der voestalpine
Auf die Idee der Betriebsseelsorge ist er nicht allein gekommen. Seine Kollegen haben ihn darauf angesprochen, als sie erfahren haben, dass er als ehrenamtlicher Krankenhausseelsorger arbeitet. „Warum bietest du das nicht auch bei uns an, haben sie mich gefragt.“ Zusammen mit seinem Arbeitgeber und der Kategorialen Seelsorge der Erzdiözese Wien erarbeitete Brunner ein Konzept für die Betriebsseelsorge.
Inspiration holte er sich dafür unter anderem bei der voestalpine in Linz, die schon lange Seelsorge für ihre Mitarbeiter anbietet. „Menschen verbringen sehr viel Zeit ihres Lebens an ihrem Arbeitsplatz. Natürlich tun sich da auch viele Problemfelder auf. Deshalb ist es gut, dass auch die Seelsorge hier ihren Platz hat.“ Darüber hinaus sei es auch vielen Arbeitgebern, darunter seinem eigenen, sehr bewusst, wie wichtig die physische, aber auch die psychische Gesundheit der Mitarbeiter für den Erfolg eines Unternehmens ist.
"Menschen verbringen sehr viel Zeit ihres Lebens an ihrem Arbeitsplatz. Natürlich tun sich da auch viele Problemfelder auf.
Deshalb ist es gut, dass auch die Seelsorge hier ihren Platz hat.“
Anonym und verschwiegen
Besonders wichtig sind Walter Brunner die Anonymität des Angebots und absolute Verschwiegenheit von seiner Seite. Aus diesem Grund hat er sich zusammen mit seinem Arbeitgeber und der Erzdiözese entschieden, keine betrieblichen, sondern diözesane Räumlichkeiten am Stephansplatz zu nutzen. Dort können ihn Kollegen zum Gespräch aufsuchen, ohne sich vorher anmelden zu müssen. Bekannt gemacht wird das Angebot durch E-Mail-Aussendungen, Plakate und auf anderen Kanälen der Mitarbeiterinformation im Betrieb.
Brunner wünscht sich, dass das Seelsorgeangebot nicht nur von kirchennahen Personen angenommen wird. „Ich frage bestimmt nicht nach der Kirchenzugehörigkeit, das würde Jesus auch nicht tun. Jeder kann kommen.“ Zugleich ist er sich bewusst, dass er als Betriebsseelsorger für viele der Kollegen das (einzige) Gesicht der Kirche ist. „Die Kirche ist so oft mit Negativschlagzeilen in der Öffentlichkeit. Mit der Betriebsseelsorge wollen wir die Chance nutzen, um ihre positiven Seiten zu zeigen.“
Für Brunner ist es wichtig, dass die Kirche auch ganz offiziell hinter dem Angebot steht. Weihbischof Franz Scharl hat ihm das Dekret „Bestellung zum Betriebsseelsorger“ überreicht – darauf ist er stolz. „Die offizielle Beauftragung ist für mich das Fundament, auf dem meine Arbeit steht.“
Walter Brunner
ist in Altersteilzeit und war Mitarbeiter der Casinos Austria. Seit 14. Mai 2024 ist er der erste Betriebsseelsorger der Erzdiözese Wien in einem Casino.