Mag. Lukas Cioni
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miteinander-Magazin
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miteinander 11-12/2023
Eine sinnvolle Aufgabe zu haben, ist für das Erfahren von Zufriedenheit und Glück bedeutsam. Wenn wir jemanden kennenlernen, so lautet meist eine der ersten Fragen: Was machst du beruflich? Eher weniger wird gefragt: Wie war dein Lebenslauf? Was ist dir wichtig? Was ist deine politische Einstellung? Wie hältst du es mit der Religion? Im Vordergrund steht vielmehr die Frage nach der beruflichen Tätigkeit. Vielleicht stehen wir diesbezüglich jetzt an einem Wendepunkt. Viele machen die Erfahrung, dass der Konkurrenzkampf sehr hart ist, lukrative Jobs liegen nicht einfach so auf der Straße. Wir erleben die sogenannte Wegwerfgesellschaft nicht nur im Umgang mit Ressourcen und Rohstoffen, Konsumgütern und Lebensmitteln, sondern auch im Blick auf die (Nicht-)Wertschätzung von Menschen und ihren Leistungen.
Drang nach Erfolg
Bisher hing die soziale Anerkennung stark mit der beruflichen Tätigkeit zusammen und viele legen großen Wert auf diese Statussymbole. Erfolg, besonders im Beruf, ist das, was zählt. Dieser Drang nach Erfolg und Anerkennung bringt viele Menschen ins Burn-out. Wir müssen lernen, dass Erfolg nur er-folgen kann, er kann nicht erzwungen werden. Wie das Glück ist er weder produzierbar noch berechenbar, sondern eher wie ein Nebeneffekt, eine Zu-gabe zur Hin-gabe, zur Auf-gabe. Auch in den Industriestaaten, nicht nur in den wirtschaftlich benachteiligten Gegenden, stehen wir mittlerweile einem Heer von arbeitslosen Menschen gegenüber. Das zieht viele Probleme und Fragen nach sich: Wie ernähre ich meine Kinder und meine Familie? Wie kann ich das Leben trotzdem lebenswert und sinnvoll gestalten? Und weitaus drängender ist die Frage: Hat mein Leben noch Bedeutung für die Gesellschaft, für die Gemeinde, in der ich lebe? Hat es noch einen Sinn?
„Kern aller Motivation ist also aus neurobiologischer Sicht, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung und Zuwendung zu finden oder zu geben.“
Umdenken
Wir werden gut daran tun, uns vermehrt nach Aufgaben mit Sinn umzusehen. Und da gibt es viele, die für das menschliche Zusammenleben eine hohe Bedeutung haben. Die sogenannten Heldinnen und Helden während der Pandemiekrise haben uns bewusst gemacht, worauf es wirklich ankommt. Es sind oft Berufe und Aufgaben, die wir im Alltag bisher wenig schätzten, wenig wahrnahmen, wenig bedankten. Ein Umdenken wird notwendig sein: Welche Aufgaben sind für eine Gesellschaft wirklich wichtig? Welche Aufgaben brauchen wir, wenn eine Krise in unser Leben hereinbricht?
Eine sinnvolle Aufgabe ist nicht gleichbedeutend mit einem guten Job, bei dem ich viel verdiene. Angenehm, wenn sich diese beiden Dinge decken. Entscheidend ist aber die Zuwendung zu sinnvollem Tun, zu einer Tätigkeit, die gebraucht wird und der Gemeinschaft dient. Was kann ich für andere tun? Diese Frage hilft anderen und mir selbst. Wenn jeder Mensch seine Fähigkeiten einbringt, hat die Gemeinschaft alles, was sie zur guten Existenz braucht. Seine Berufung leben führt zu Gemeinwohl. Auch wer nur ganz wenig Spielraum hat neben einer Arbeit, die vielleicht nicht glücklich macht, kann etwas für die Gemeinschaft tun. Jede noch so kleine Tat ist wertvoll.
Aus: Werft eure Zuversicht nicht weg. Tyrolia-Verlag: 2020, ISBN: 978-3-7022-3887-2, € 19,95.
Dr. Benno Elbs
ist seit 2013 Bischof der Diözese Feldkirch. In der Bischofskonferenz ist der promovierte Theologe und ausgebildete Psychotherapeut u. a. für die Caritas zuständig.
Werft eure Zuversicht nicht weg. Tyrolia-Verlag: 2020, ISBN: 978-3-7022-3887-2, € 19,95.