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Rituaalglatt und Brauchdumm

Glosse

Von Kindheitserinnerungen, Ritualen und dem Skispringen. Glosse von Wolfgang MACHREICH

 miteinander 11-12/2023

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Ich war lange Ministrant, da gehören Rituale quasi zum Jobprofil. Außerdem bin ich bei meiner Großmutter aufgewachsen und bei ihr, wie bei vielen reiferen Menschen, strukturierte die Wiederkehr des Ewiggleichen die Tages- und Jahresabläufe, wurde mit dem Milchauto in der Früh aufgestanden, mit „Autofahrer unterwegs“ im Radio zu Mittag gegessen und nach dem „Traummännlein“ ins Bett gegangen.

 

Die intensivste Ritual-Kindheitserinnerung verbinde ich aber mit Skispringen. Was mich vor dem Fernseher faszinierte, war die Startzeremonie der Skispringer (Skispringerinnen gab es damals noch keine), nachdem sie auf den Sprungbalken weit oben in der Anlaufspur gerutscht waren. Das „Zitterbalken“-Ritual von allen war, nach hinten zu greifen und die Kabelbindung an den Schuhfersen zu kontrollieren. Der zweite Springer-Typus erweiterte diese Zeremonie, drehte den Kopf zur Seite und spuckte in den Schnee, bevor er den Anlauf runtersauste. Am besten gefiel mir die dritte Variante der Absprungbalkenliturgie, wenn Skispringer zwischen Bindungskontrolle und Spucken noch ein superschnelles Kreuzeichen in ihr Konzentrationsritual einbauten, bevor sie sich über den Schanzentisch hauten.

 

Ich habe noch den strengen Ton meiner Großmutter im Ohr, mit dem sie über diese Kreuz-Spuck-Kombi – „das gehört sich nicht“ – schimpfte. Mir erschienen die „Adler“ damit unglaublich cool und lässig. Heute weiß ich, was meine Oma aufregte, stimme ihr zu: Rituale sind oft beständiger als Inhalte. Ich nehme mich an der Nase und mir fallen schnell Glaubensrituale ein, die mir zu rituaalglatt vom gebeugten Knie, von der bekreuzigenden Hand, von den betenden Lippen gehen. Gerade Advent und Weihnachtszeit bieten dafür viel Anschauungsmaterial. Wer zum Ritual-Geschwisterchen Brauchtum rüberschaut, erschrickt zuweilen, wie viel Brauchdummheit auftaucht. Was tun? „Sammle dich recht; alle Gedanken und dein ganzes Gemüt sammle in dieses Zeichen, wie es geht von der Stirn zur Brust, von Schulter zur Schulter“, rät Romano Guardini für ein stimmiges Kreuzeichen.

 

Sammle dich, gilt aber gleichermaßen als Gebrauchsanweisung für alle heiligenden Rituale und Geschwisterchens Brauchtum. Dann, bin ich mir sicher, nbleibt im wahrsten Sinne des Wortes die Spucke weg.

 


Wolfgang Machreich

Wolfgang Machreich
ist freier Journalist, Autor und Redaktionsmitglied des miteinander-Magazins.

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