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Zwischen Nachfolge und Selbstaufgabe

Was bleibt vom "Jahr der Orden"? Ist Aufbruchsstimmung spürbar, oder gingen die Initiativen gar am eigentlichen Kern vorbei? Eine kritische Folie zur Selbstreflexion bietet nach wie vor der Klassiker "Zeit der Orden?" von Johann Baptist Metz.

 

"Weckt die Welt auf! Seid Zeugen eines anderen Handelns!" So lautete der Appell von Papst Franziskus vor 120 Ordensoberen Ende 2013. Damals kündigte der Papst ein weltweites Jahr des geweihten Lebens - kurz: ein "Jahr der Orden" an. Wie bei Themenjahren üblich, so sollte auch dieses Jahr, das am 2. Februar 2016 offiziell endete, von viel medialer Begleitmusik und einigem Aktionismus begleitet werden. Aktionismus - durchaus kritisch gemeint; denn es muss die Frage gestellt werden, ob der päpstliche Appell tatsächlich durch Tage der offenen Tür, Theaterstücke, Diskussionsreihen und Symposien erfüllt wurde.

 

Anders gefragt: Was ist eigentlich das Proprium, das Eigene der Orden? Wie lässt sich dem Wesen einer zeitgemäß-unzeitgemäßen Ordensexistenz heute nachspüren? Es lohnt, in dieser Frage, auf einen fast 40 Jahre alten Klassiker zurückzugreifen: Den rechtzeitig zum Ordensjahr neu aufgelegten Essay "Zeit der Orden?" von Johann Baptist Metz.

 

"Schocktherapie des Heiligen Geistes"

 

Wo und wie sind Orden "produktive Vorbilder"? Nutzen sie ihre "innovatorische Funktion für die Kirche" - als "eine Art Schocktherapie des Heiligen Geistes für die Großkirche"? Widerstehen sie der Versuchung, in die "Mitte" zu rücken - "gleichsam großkirchlich angepasst und gezähmt"? Entspricht der Lebensstil von Ordenschristen dem Ruf nach radikaler Nachfolge? Und schließlich: Wird "Ordensexistenz als Hoffnungsexistenz mit apokalyptischem Stachel" wahrgenommen? Oder eher mit "Schonpark", Rundumversorgung im Ordenshabit, klösterlicher "Idylle"?

 

Diese Fragen wirken wie Nadelstiche und lassen aus mancher kirchlichen PR-Kampagne rasch und die Luft entweichen. Und das tut gut, es orientiert den Blick und Verstand neu auf das Wesentliche hin. Die Kritik der Angepasstheit trifft schließlich auch die bischöflich verfassten Kirchen. So konstatiert Metz, dass es die Orden seien, die die Kraft aufbringen könnten, diesen Kirchen einen "geradezu schockartigen Anstoß in Richtung Nachfolge" zu versetzen.

 

Nachfolge sei dabei gerade nicht als theologisch nachrangige Kategorie eines vergeistigten Glaubens zu begreifen, sondern rühre an den Kern des Christentums selbst: "Nachfolgepraxis ist selbst ein zentrales Stück Christologie", so Metz. "Christus muss immer so gedacht werden, dass er nie nur gedacht ist". Damit eine solche Nachfolge indes nicht zur hohlen Phrase verkommt, bedürfe es der Orden und ihrer eigenen Spiritualität, die "mystisch und politisch zugleich" sei - "politisch" in dem Sinne, dass Mystik und Nachfolge nie "situationsfrei" bzw. a-historisch sei.

 

Ihren Kulminationspunkt finden Metz' Reflexionen schließlich in der Zusammenschau von Nachfolge und Naherwartung: Ja, die Skizze einer radikalen Nachfolge sei letztlich "nicht lebbar", gesteht Metz zu - es sei denn, sie geschieht in der Überzeugung der nahen Parousie, der Endzeit. "Nachfolge ist ohne das Harren auf ein baldiges Kommen des Herrn nicht zu leben, sie ist ohne Hoffnung auf eine Abkürzung der Zeit nicht durchzustehen". Schließlich ende das Neue Testament nicht umsonst mit dem apokalyptischen Ruf "Maranatha", "Komm, Herr Jesus!" Vor dieser Folie böte die Kirche nicht selten das "peinliche Schauspiel" einer Kirche, "die zwar von Hoffnung redet, aber eigentlich nichts mehr erwartet", so Metz. "Blicken Christen - auch die Ordenschristen - wirklich noch gespannt auf das Ende?"

 

Verteidigung des Zölibats

 

Wem dies alles zu "spekulativ" wirkt, wer selbst die im Anhang noch einmal zu Thesen und Fragen komprimierten Schlussfolgerungen des Münsteraner Theologen abtut, dem sei zumindest noch das Kapitel zu den evangelischen Räten, speziell jenes zur Ehelosigkeit ans Herz gelegt. Schon lange hat man nämlich in den aktuellen Diskussionen über den Zölibat nicht mehr jene argumentative Tiefe und Verve spüren können, die Metz hier zur Verteidigung der Ehelosigkeit aufbringt. So verteidigt er die Ehelosigkeit - zumindest jene des Ordenschristen - streng theologisch und nicht - wie heute üblich - funktional abgeleitet vom Amt des Priesters:

 

"Evangelische Ehelosigkeit ist (für mich) der Ausdruck einer kompromisslosen, keine Versuchung der Einsamkeit scheuende Sammlung von Sehnsucht nach dem 'Tag des Herrn'. Sie hat zu tun mit einem radikalen Ergriffensein von und einem ebenso vorbehaltlosen Einstehen für die nahe herbeigekommene Herrschaft Gottes. So aber drängt sie - als Nachfolge - zu den Einsamen und Vereinsamten - und zu denen, die in Resignation und Erwartungslosigkeit eingeschlossen sind."

 

Er wäre wohl kein geringer Ertrag des "Jahres der Orden", wenn dieser kleine Essay wieder vermehrt gelesen würde, um den Blick vom medialen Schlagwort-Zirkus zu erheben und immer neu nach dem Kern einer biblisch fundierten christlichen Existenz zu forschen.

 

Henning Klingen

 

Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2016 | Ausgabe April

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